Hauptsache Kinder

Sebastián Piñera traut Kindern viel zu. Und er liebt sie, selbst die »ungeborenen«, so sehr, dass es von ihnen gar nicht genug geben kann in Chile – notfalls eben mit Gewalt. Der seit März 2010 amtierende Präsident Chiles äußerte jüngst, er sei beeindruckt von der »Reife« einer schwangeren Elfjährigen, die sich entschieden hat, ihr Kind auszutragen. Das Mädchen hatte in einem Interview gesagt, es werde ihr Baby lieben, auch wenn es von dem Mann sei, der ihr wehgetan habe, es sei dann wie »eine Puppe in meinen Armen«. So viel Vergebung und »Reife« hat den konservativen Christen Piñera anscheinend tief beeindruckt. Etwas anderes bleibt dem Mädchen, das jahrelang vom Freund seiner Mutter vergewaltigt und in der Folge schwanger geworden war, auch kaum übrig, denn Chile ist eines der wenigen Länder, in denen ein Schwangerschaftsabbruch weiterhin unter allen Umständen verboten ist. Selbst eine »therapeutische Abtreibung«, zum Beispiel nach einer Vergewaltigung oder wegen der Gefährdung des Lebens der Schwangeren, ist nicht erlaubt. Mehrere Gesetzentwürfe, die eine Legalisierung in diesen Fällen vorsahen, scheiterten im vorigen Jahr am Senat. Das Verbot stammt noch aus der Zeit der Diktatur Augusto Pinochets.
So eine kindliche Schwangerschaft hat ja auch Vorteile: Wenn die traumatisierte junge Mutter später zu Hause bei ihrem Kind sitzt, wird sie kaum Zeit haben, gegen die Regierung und das ungerechte Bildungssystem zu demonstrieren, wie derzeit wieder Zehntausende Schülerinnen, Schüler und Studierende. Sollte sie doch den Wunsch nach einer guten Ausbildung haben, hat der Unternehmer Piñera dafür gesorgt, dass sie sich dafür unkompliziert verschulden kann. Bancard, eine der ersten Firmen des 63jährigen, dessen Vermögen auf 2,5 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, führte einst das Kreditkartensystem in Chile ein. Der Wirtschaftswissenschaftler investierte auch in Privatfernsehen, Immobilienfirmen, eine Apothekenkette und weitere Unternehmen. Mehrmals wurde wegen illegaler Geschäfte und Korruption gegen ihn ermittelt. Wie groß die Unterstützung seines Konservatismus und wirtschaftlichen Liberalismus weiterhin sein wird, entscheidet sich im November bei den Präsidentschaftswahlen. Seine linksliberale Konkurrentin Michelle Bachelet kritisierte, wie viele andere, Piñeras jüngste Äußerungen und setzt sich für eine Lockerung des Abtreibungsverbots ein.