Über Syrien und den Westen

Krieg im Krieg

Während viele Syrer gegen gegen die Dominanz der Jihadisten kämpfen, bleibt westliche Hilfe weiterhin aus.

Man muss sich die Syrien-Politik des Westens vielleicht wie einen schlecht besuchten Grundkurs in Politik vorstellen, in dem diskutiert wird, was Clausewitz mit dem Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln eigentlich gemeint hat. Keiner der Studenten hört zu, Barack Obama schnippst aufgeregt mit den Fingern, weil er ­gerade die Inspiration für die nächste Rede hat, und William Hagues einzige Sorge ist die nächste Wahl zur Studentenvertretung. François Hollande hat sich auf der Anwesenheitsliste eingetragen und ist gleich wieder gegangen. Der Dozent heißt Sir David Richards, ist scheidender britischer Generalstabschef und warnt, dass die Regierung seines Landes ihr »politisches Ziel« für Syrien klarstellen sollte, bevor man ihr einen militärischen Plan empfehlen könne.
Die syrische Opposition kann einem wirklich leidtun angesichts dieses desolaten Haufens von Staatsmännern, die jüngst ihre sowieso vagen Versprechungen zur Unterstützung der syrischen Aufständischen relativiert haben. Man müsse nämlich, dozierte der britische Außenminister William Hague im Unterhaus, auch über die Kommandostrukturen der Gruppen Bescheid wissen, die man beliefere. Wie wahr, diese Frage hätte man in den vergangen zwei Jahren durchaus einmal klären können. Der Westen verspreche und verspreche, kommentierte deutlich entnervt der Oberkommandierende der Free Syrian Army (FSA), Salim Idriss, und das sei nun langsam ein Witz.
Ein schlechter Witz: Waffen bekommen fast nur die Islamisten, da kann der Rest der syrischen Aufständischen noch so betteln. Dabei steigen die Spannungen zwischen FSA und Islamisten. Aber wie sollen die Aufständischen die ungeliebten internationalen Jihadisten unter Kontrolle bringen können, wenn sie die einzigen in diesem Konflikt sind, die gezielt kurzgehalten werden? Die Drohung eines Pressesprechers der FSA nach der Ermordung eines ihrer 30 Feldkommandeure durch einen irakischen Milizionär von al-Qaida, man werde mit diesen Islamisten den Boden wischen, ist daher bloßes Wunschdenken.
An der Front kann die FSA gar nicht auf die besser ausgerüsteten Jihadisten verzichten. Doch es gäbe Ansatzpunkte, die Dominanz der sunnitischen Gotteskrieger zu brechen. Denn die Islamisten sind zerstritten. Gemeinsam hassen sie den Westen und die Schiiten, doch die Kämpfer der al-Nusra-Front und des »Islamischen Staats im Irak und der Levante« hassen auch das jeweilige Konkurrenzunternehmen. Erstere betonen ihren syrischen Ursprung, letztere setzen auf ausländische Kämpfer. Zudem operiert die ominöse, plötzlich zu Prominenz gelangte al-Nusra-Front in regionalen Gruppen, die mitunter außer dem gemeinsamen Namen nichts verbindet.
Die syrische Bevölkerung hat mit im Westen weitgehend unbeachteten Demonstrationen jüngst in der Provinzmetropole Raqa, die partiell unter der Kontrolle von Islamisten steht, deutlich ­gemacht, dass sie eben kein Gottesvolk ist, dessen einziges Problem die Drängelei vor der Paradiespforte ist. Man wird den irritierenden Verdacht nicht los, im Westen warte man bloß darauf, dass die Jihadisten endlich den Freiheitskampf ersticken und so den von Anfang an gehegten Glauben bestätigen, nur jemand wie Bashar al-Assad könne den Laden dort unten wenigstens unter Kontrolle halten.