Platte Buch

Perfekt coole Uncoole

Ungefähr 20 Jahre ist es her, dass Seattle, ein bis dahin unscheinbares Städtchen, für einen kurzen Zeitraum zum Epizentrum der Popwelt wurde: Hier wurde Grunge erfunden. Was aus dem Nichts zu kommen schien, stand in Wahrheit in einem engen Verhältnis zur umtriebigen DIY-Szene des Pazifischen Nordwestens und vor allem zur Riot-Grrrl-Szene, die eines ihrer Zentren in Olympia hatte, nur rund 60 Meilen von Seattle entfernt. Jetzt, mitten im gefühlten und längst überfälligen Grunge-Revival, scheint sich der musikalische Schwerpunkt einige Meilen nach Norden, ins kanadische Vancouver, verlagert zu haben. Und ganz im Sinne der Riot-Grrrl-Bewegung spielen Frauen dabei eher die Haupt- als die Nebenrolle. Nach White Lung und Nü Sensae sind The Courtneys mit ihrem sonnigen, in seiner gespielten Naivität an Beat Happening erinnernden Indie oder Punk oder Rock nun schon die dritte als heißer Scheiß gehandelte Band, die die dortige Szene innerhalb kürzester Zeit hervorgebracht hat. Sich dem Charme ihrer von dängeligen Gitarren getriebenen Songs zu entziehen, ist nahezu unmöglich. Erst recht nicht, wenn sie über Keanu Reeves und die Neunziger singen und man selbst nostalgische Erinnerungen an dieses Jahrzehnt hat. Das hier sind einfach perfekte Popsongs, die mit ihrer verwaschenen Ästhetik und ihrer vollkommen unironisch coolen Uncoolness die letzten Reste der Gene­ration X genauso ansprechen sollten wie die Generation Tumblr.

The Courtneys: s/t (Hockey Dad Records)