Kommentiert die Versprechen der Bundesfamilienministerin

Da hilft nur klagen

Die Bundesfamilienministerin sagt, es gebe genügend Kita-Plätze, doch das ist Schönrechnerei.

So mogelt man sich die Welt schön: Ab dem 1. August haben Kinder unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Nach Angaben von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) wird es im kommenden Kindergartenjahr bundesweit 813 000 Betreuungsplätze für ein- bis zweijährige Kinder geben. Das seien sogar 30 000 mehr als ursprünglich von der Bundesregierung als benötigt berechnet, manche würden allerdings erst im Laufe des Jahres angeboten werden. »Auf Basis der Zahlen, die uns die Länder zur Verfügung gestellt haben, dürfen wir aber fest davon ausgehen, dass zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs am 1. August 2013 zahlenmäßig nahezu ausreichend Kita-Plätze real in Betrieb sein werden«, sagt Schröder. Der Subtext ist: Selbst schuld, wer keinen Platz für seine kleine Tochter oder seinen kleinen Sohn gefunden hat.
Schröders Berechnungen sind Wunschdenken, konstatiert SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Das ist eine ziemlich freundliche Beschreibung für eine dreiste Mogelei. Vielleicht hängt die Beißhemmung damit zusammen, dass die SPD über die von ihr regierten Länder und Kommunen mitpfuscht. Noch Ende vorigen Jahres fehlten bundesweit bis zu 220 000 Kita-Plätze. Auf die Kommunen rolle eine Klagewelle zu, hieß es überall. Davon ist nun keine Rede mehr, dank der Schönrechnerei. Trick eins: Plätze bei Tagesmüttern werden von den Kommunen mitgezählt. Doch es gibt gute Gründe für Eltern, ihr Kind nicht bei einer Tagesmutter unterbringen zu wollen. Sie haben ein Problem, wenn die Tagesmutter krank wird. Außerdem ist die Ausstattung nicht so wie in einer Kita, die Ausbildung ist Glückssache. Häufig ist der Platz auch teurer als der in einer Kita. Dabei ist der Job sicher keiner mit Aussicht aufs Reichwerden. Den Tagesmüttern nützt der neue Rechtsanspruch nichts, im Gegenteil. Aufgestockt haben die Kommunen die Plätze in den Kitas durchaus. An vielen Orten geben Tagesmütter nun auf, weil ihnen die kleinen Klienten fehlen. Andere müssen mit Verdienst­einbußen rechnen, weil sie nur noch drei statt fünf Kinder betreuen werden. Trick zwei: Die Verantwortlichen suggerieren, dass jeder Platz auch ein Ganztagsplatz ist. Etliche sind es nicht.
Niemand weiß, bei wie vielen Einrichtungen Eltern mit absurden Betreuungszeiten wie von sieben bis elf Uhr am Vormittag vorlieb nehmen müssen und wie viel Zeit sie der Weg dahin kostet. »Kinder haben Anspruch auf Ganztagsbetreuung«, stellt die Düsseldorfer Anwältin für Fami­lienrecht Katharina Eibl klar. Trotzdem klagen viele nicht, sondern lassen sich mit wenig abspeisen. Sie nehmen lange Wege und unsinnige Öffnungszeiten in Kauf. Auch die Zahlenprahlerei von Schröder dürfte Eltern einschüchtern. Nur in wenigen Großstädten ziehen vereinzelt Eltern vor Gericht, zum Beispiel in Düsseldorf, Dresden, Wiesbaden und Köln. Doch das ändert sich möglicherweise – und hoffentlich. Schröder und ihre Mitstreiter sollten mit ihrem dreisten Vorgehen nicht durchkommen. Das Verwaltungsgericht Köln hat in Eilentscheidungen festgestellt: Wollen Eltern ihre Kinder in einer Kita unterbringen, dürfen Kommunen sie nicht auf eine Tagesmutter verweisen. Auch darf die Kita nicht mehr als fünf Kilometer vom Wohnort entfernt sein. Das Urteil ist nicht allerdings noch rechtskräftig, die rot-grün regierte Stadt Köln hat dagegen Beschwerde eingelegt.