Über den neuen Leipziger Club »Institut für Zukunft«

Rave im Kohlrabizirkus

Politik und Party im großen Stil: In einer ehemaligen Leipziger Großmarkthalle hat sich das Institut für Zukunft gegründet – als Club für elektronische Musik und Ort emanzipatorischer Politik. Das Kollektiv ist momentan noch mit Bauarbeiten beschäftigt.

Hoch ragt die Doppelkuppel in Leipzigs Süden auf. Früher residierte in der 1929 errichteten Stahlbetonhalle der Großmarkt, heute dient sie als Indoor-Eislauffläche und Veranstaltungshalle. Wenn BMW hier seine nächste Betriebsfeier veranstaltet, wird weiter unten im Institut für Zukunft (IfZ) schon getanzt. Die Umbau­arbeiten im Kellergeschoss der Halle sind in vollem Gang, unter Presslufthammerlärm und Schlagbohrerheulen liegt ein technoider Klangteppich. »Hier entsteht der Main­floor«, sagt Emilia, ihre Worte sind kaum zu verstehen. Die Mitarbeiterin IfZ führt durch schlauchartige Gänge zu Chill-out- und Backstage-Räumen, einem kleineren Saal und einem Sanitärtrakt. In Staubwolken sind Menschen bei Abbrucharbeiten zu erkennen, vor lauter Unrat lässt sich kaum fester Tritt finden. Zwei Wochen zuvor sei der Zustand der Gewölbe noch chaotischer gewesen, sagt Emilia, als wir nach dem Rundgang wieder im Hauptsaal angekommen sind. »Hier lag alles voller Bauschutt. Und diesen Stahlwürfel mussten wir aus einer Betonummantelung freilegen.« Der Würfel muss nur noch fachgerecht auseinandergeschweißt werden, damit im November 500 Partygäste im Gebäude Platz finden können.
Noch ein Club in Leipzig? Ein weiterer Mosaikstein im medialen Hypezig-Spiel. »Wie Berlin, nur besser«, lobte erst neulich der Spiegel. »Vergesst Prenzlberg!« riet die FAZ. Den Leipzig-Hype habe sie gar nicht mitbekommen, meint Emilia während des Gesprächs im ruhigeren Pausenraum, zu viele Clubs gebe es nicht in der Stadt. Mit Tobias meldet sich ein weiteres Mitglied des IfZ zu Wort: »Wenn alle Clubs musikalisch die gleiche Schiene fahren würden, wäre es tatsächlich problematisch. Dann wäre auch die Frage berechtigt, ob Leipzig dafür das Potential hat.«
Die Betreiber des IfZ sehen ihren Club nicht als Konkurrenz zu anderen Veranstaltungsorten, sie wollen ein eigenes Konzept verfolgen und Abseitigeres auf die Tanzfläche bringen. »Der Laden soll durch ein eigenständiges Booking identifizierbar sein, die Gäste sollen dem IfZ vertrauen und herkommen, auch ohne das Line-up des Abends zu kennen.« Gerade passierten musikalisch spannende Dinge, sagt Tobias. Dubstep habe sich in unzählige Stilformen aufgefächert, Techno treffe auf Noise und Gothic: »Ein Künstler wie Vatican Shadow spielte vor einigen Monaten im Berliner Berghain und kurz darauf beim Wave-Gotik-Treffen in Leipzig. Vor ein paar Jahren waren das zwei völlig verschiedene Sachen. Man schaut mittlerweile über den Tellerrand.«
Die Betreiber des IfZ verbindet das gleiche Selbstverständnis, der Club ist als Rückzugsraum und Ort für emanzipatorische Politik gedacht. »Dafür haben wir eine Tür«, ruft ein staubverschmierter Mann und stopft sich zur Stärkung ein Brötchen in den Mund. Ja, er­klären die beiden Mitarbeiter des IfZ, eine entschlossene Einlasspolitik sei Teil des Konzepts. Deshalb schulen sich einige Kollektivmitglieder in einer eigenen Arbeitsgemeinschaft.
Der Laden ist groß, die rund 50 Menschen, die das IfZ-Kollektiv bilden, machen beinahe ­alles selbst. »Viele Leute«, erklärt Tobias, »kennen sich noch aus Antifa-Zusammenhängen oder besetzten Häusern in anderen Städten, haben sich in Leipzig wiedergetroffen und Partys veranstaltet. Selbst wenn es mal nur um Hedonismus ging, waren zwischen uns viele Basics klar und mussten nicht fortwährend neu diskutiert werden.«
Aus diesen Partycrews und Freundeskreisen setzt sich das monatliche Plenum zusammen. Via E-Mail-Verteiler organisieren sich außerdem freiwillige Helfer, manche haben einfach Lust mitzubauen, andere engagieren sich in Arbeitsgruppen zu »Safer Clubbing« und bei der Organisation der Security. Auch Recherchearbeit werde geleistet, so Emilia: »Eine Arbeitsgemeinschaft beschäftigt sich mit rassistischen und völkischen Symbolen in elektronischer Musik und weitet die klassische Antifa-Arbeit auf ein inhaltlich recht neues Feld aus.« Tobias ergänzt: »Musikalisch gesehen passieren in der Schnittmenge von Industrial, Techno und Noise die spannendsten Sachen. Aber gerade in diesen Bereichen ist Sensibilität gefragt. Was ist Provokation, Fetisch, Überspitzung oder eben doch faschistische Ästhetik? Manche rollen angesichts dieser ewigen Diskussionen, wie sie manchmal im Leipziger Conne Island geführt werden, die Augen. Wir finden solche Auseinandersetzungen gut.«
Seit Mai wurden mittels einer Crowdfunding-Kampagne mehr als 30 000 Euro für ein Sound-System gesammelt. »Welchen enormen Werbeeffekt das Crowdfunding für unser Clubprojekt haben würde, ist uns erst während der Kampa­gne bewusst geworden«, sagt Tobias. Das Kollektiv hat reichlich Unterstützung bekommen. Internationale Künstler wie Kondaktor und Agony Forces haben exklusive Tracks für eine Compilation beigesteuert, Labels unterstützen das Projekt. Zwar sei das IfZ auf das Geld angewiesen, sagt Tobias, vollkommen abhängig sei man trotzdem nicht: »Wir öffnen den Club in jedem Fall.« Denn sie haben selbst eine größere Summe investiert und das IfZ als GbR gegründet.
Die Kritik, das IfZ als kommerzielles Projekt organisiert zu haben, können sie nachvollziehen, so Emilia: »Wünschenswert wäre es aber, wenn Leute durch den Club von selbstbestimmter Arbeit leben könnten. Wenn man schon nicht aus dem Kapitalismus herauskommt, ist jeder Ort von Vorteil, an dem man über seine Überwindung nachdenken kann.« Zudem bleibe die Gruppe dem Kollektivprinzip treu, arbeite transparent und lege ihre Umsätze offen. »Im besten Fall wollen wir auch Gewinn erwirtschaften. Der wird dann aber gerecht geteilt. Alle bekommen das gleiche Geld und entscheiden auch, ob etwas und wie viel besser in den Club gesteckt wird.«
Noch mag das Gewölbe verwüstet aussehen. Emilia und Tobias sind sich trotzdem sicher, dass der Club bis zum November geöffnet werden kann. Über den Bauantrag sei zwar noch nicht entschieden, aber Brandschutz und Fluchtwege seien sichergestellt, am Emissionsschutzgutachten werde gearbeitet und die Vorgaben für Barrierefreiheit würden umgesetzt.
Mittlerweile haben die beiden keine Lust mehr auf Öffentlichkeitsarbeit und häufige Medienanfragen. Einzelpersonen sollten nicht im Vordergrund stehen. »Die Leute sollen sich hier einfach selbst ein Bild machen«, meint Emilia. »Wir wollen auch kein Spielball in Gentrifizierungsdebatten sein. Da kann man immer nur das Falsche sagen. Klar gibt es da Entwicklungen, aber wir sehen uns nicht als Dauererklärer für die Medien.«