Die Erotik der Revolte

Femen hat schon immer sexuelle Phantasien bedient. Die neueste Enthüllung über den »Patriarchen« der Gruppe sichert ihr erneut die Aufmerksamkeit der Medien.

Der Skandal war perfekt inszeniert – wie immer bei den Nacktaktivistinnen der Gruppe Femen. Mit politischem Aktivismus hat das wenig zu tun. Es handelt sich vielmehr um die Fortsetzung ­einer pornographischen Performance. Der Dokumentarfilm »Ukraine is not a brothel« wurde ­vorige Woche erstmals auf dem Filmfestival in Venedig gezeigt. Darin kommandiert ein Mittdrei­ßiger namens Wiktor Swjatski die Femen-Frauen herum, er sagt: »Sie sind schwach. Sie haben nicht einmal den Wunsch, stark zu sein. Stattdessen zeigen sie Unterwürfigkeit, Rückgratlosigkeit, Unpünktlichkeit.« Die australische Regisseurin Kitty Green kommentiert im Film: »Er wählte die schönsten Mädchen aus, er ist Femen.« Sie fragt ihn, ob er bei Femen sei, um an schöne Frauen zu kommen, und er antwortet: »Vielleicht. Irgendwo tief in meinem Unbewussten.«
Doch die Femen-Aktivistinnen sind keineswegs zerknirscht über Greens Enthüllungen. Im Triumphzug mit nackter Brust präsentieren sie gemeinsam mit der Regisseurin den Film in Venedig. Die Wortführerin der Gruppe, Inna Schewtschenko, erklärte den Skandal tags darauf zur Katharsis. Femen sei in einer Kultur gegründet worden, in der Männer entscheiden und Frauen die Entscheidungen akzeptieren. Deshalb habe Swjazkij der Führer von Femen werden können. Aber dadurch hätten sie gelernt, dass sie das Patriarchat auch im Privaten bekämpfen müssten. Swjazkij sei nun weg, alle Entscheidungen würden von Frauen getroffen, beteuert sie.
Doch die Geschichte ist zu skurril, um so einfach zu sein. Im Film tritt Swjazkij ausgerechnet mit einer Hasenmaske auf. Das schreit geradezu nach Sex-Fetisch. Spätestens jetzt müsste auf Porno­seiten die Kategorie »feministische Nacktaktivistin« auftauchen mit Filmchen, in denen dieser »Rammler« hübsche Mädchen im Höschen in die Kiewer Winterluft schickt. Tatsächlich erstaunt, dass es diese Kategorie nicht längst gibt. Denn pornographische Bilder hat Femen seit langem gezielt produziert. Wer sich schon einmal von Polizisten auf einer Demons­tration hat wegtragen lassen, weiß, dass der erste Impuls ist, Kopf und Brust zu schützen. Dagegen trainieren die Femen-Aktivistinnen: Brust raus, Kopf hoch. Dass bei Verhaftungen dann regelmäßig eine dickbehandschuhte Bullenhand auf einer hübschen Brust landet, ist programmiert.
Der Trailer zum neuen Film bietet weitere Erotikszenen. Da streicht sich eine Aktivistin nach gelungener Aktion genüsslich in der Dusche die Farbe von der Brust. Eine andere wird beim ­Umziehen in ihrem Schlafzimmer gezeigt, Kamera filmt von unten. Atemberaubend das Mädchen, das nackt in hochhackigen Stiefeln vor einem Fressnapf kniet. Wer solche Bilder produziert, will eines bestimmt nicht: dagegen kämpfen, dass Frauen zum Sexobjekt gemacht werden. Man braucht nicht über Femens Politik zu diskutieren. Denn es ist keine, auch wenn viele Mitglieder das glauben mögen und einige dafür Leib und Leben riskieren. Die auf die Brust gemalten ­Slogans sind Teil der Performance. Während die Erregungskurve bei kommerzieller Pornographie schnell abflacht, bleibt sie bei Femen durch die Erotik der Revolte oben. So authentisch wirkende Lustobjekte wie die Femen-Frauen kann die Sexindustrie gar nicht erschaffen.