Der Volksentscheid zur Rekommunalisierung der Energienetze in Hamburg

Hamburg unter Strom

Am Wochenende findet der Hamburger Volksentscheid über den Rückkauf der privatisierten Energienetze statt. Die regierende SPD lehnt ihn ab, ihre Nähe zu den Energiekonzernen ist groß.

Am 22. September findet nicht nur die Bundestagswahl statt. In Hamburg wird ein Volksentscheid über die Rekommunalisierung der im Jahr 2002 privatisierten Energienetze für Strom, Gas und Fernwärme abgehalten. Seit drei Jahren setzt sich die Initiative »Unser Hamburg – Unser Netz« für den Rückkauf ein. In ihr haben sich Umweltorganisationen, die Verbraucherzentrale, einige Kirchenfunktionäre sowie die Grünen und die Linkspartei zusammengeschlossen.
Nach Vorstellungen der Initiative sollen die Energienetze nicht von zwei Atomenergiekonzernen betrieben werden. Eon besitzt derzeit das Gasnetz, Vattenfall das Strom- und das Fernwärmenetz. Die Energieversorgung sei Teil der Daseinsvorsorge, lautet das Argument. »Deshalb gehören die Netze nicht in die Hände privater, profitorientierter Unternehmen, sondern unter demokratische Kontrolle«, sagt Wiebke Hansen, die Kampagnenleiterin. Insgesamt zwei Milliarden Euro müssten in den Rückkauf investiert werden. Die Finan­zierung sei kein Problem, sagt Hansen: »Die Stadt nimmt Kredite auf zu Zinsen, die unter drei Prozent liegen dürften. Dafür erhält sie von der Bundesnetzagentur garantierte Gewinne von sieben bis neun Prozent – ein sicheres Geschäft.« Warum Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) das nicht will, verstehe sie nicht, sagt Hansen.

Die regierende SPD wird bei ihrer Kampagne gegen den Rückkauf nicht nur von einem bürger­lichen Bündnis unterstützt, dem alle Kapital- und Honoratiorenvereine Hamburgs angehören, sondern auch von CDU, FDP und den Lokalzei­tungen aus dem Springer-Verlag. Anfang Sep­tember veröffentlichte die Handelskammer ihre »Hamburger Erklärung« mit dem Titel »Nein zum Netzkauf!«, unterstützt von Kapital- und Grundeigentümerverbänden, der Handwerkskammer und der IG Bergbau, Chemie, Energie. Zudem regte die SPD über den von ihr dominierten DGB-Apparat die Veröffentlichung der »Wilhelmsburger Erklärung« an, die sich ebenfalls gegen den Rückkauf richtet und die von Betriebsräten aus Hamburgs Großbetrieben unterschrieben wurde. Schon 2011 hatte Olaf Scholz Verhandlungen mit Eon und Vattenfall eingeleitet, um die Kampagne »Unser Netz« mit einem Teilrückkauf der Netze zu schwächen. In Umfragen unmittelbar nach der Reaktorkatas­trophe von Fukushima waren über 70 Prozent der Befragten für die vollständige Rekommunalisierung der Energienetze gewesen. 2012 vereinbarte der SPD-Senat mit den Unternehmen die Beteiligung der Stadt in Höhe von 25,1 Prozent an den Versorgungsnetzen für einen Betrag von 543,5 Millionen Euro. »Unser Netz« klagte auf Offenlegung aller Verkaufsunterlagen, das Verwaltungsgericht Hamburg lehnte dies Mitte September ab.
In der Endphase vor dem Volksentscheid wird vor allem über das Fernwärmenetz diskutiert. Mit der Fernwärme hat Vattenfall allein 2009 in Hamburg mehr als 100 Millionen Euro Gewinn gemacht. Um sich einen solchen Gewinn zu erhalten, hat Vattenfall eine großangelegte Werbekampagne gegen den Rückkauf betrieben. Ins­besondere die Mieter der städtischen Großsiedlungen Hamburgs müssen Fernwärme von Vattenfall abnehmen, weil der Vermieter dies festgelegt hat. Für Bezieher von ALG II zahlt die Arbeitsagentur die Fernwärmekosten direkt an Vattenfall.

Die Hamburger SPD-Führung ist so eng mit den Energiekonzernen verbunden, dass dies auch so bleiben dürfte. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass Hans-Joachim Klier, bis Mai 2011 Referatsleiter für Energiewirtschaft in der Wirtschaftsbehörde, nur drei Monate später bei Vattenfall angestellt wurde – als »Berater für die Gestaltung des Verhältnisses zu Politik und Verwaltung in Hamburg in energiepolitischen und energiewirtschaftlichen Fragen«. Im SPD-Senat unter Scholz, der diesen Wechsel genehmigen musste, erhob niemand Einspruch. »Es gab keine Bedenken«, sagte Klier kürzlich der Welt.