Ein Jahr Dauerprotest

Auf das Protestcamp von Flüchtlingen am Berliner Oranienplatz kommen schwere Zeiten zu. Der Winter ist bald da und die Zelte bieten kaum Schutz vor der Kälte. Die CDU macht Stimmung gegen die Bewohner, und mittlerweile mehren sich sogar Stimmen von links, die die Schließung des Camps fordern. So veröffentlichte die Zeitschrift Bahamas jüngst ein »Plädoyer für die Auflösung der Refugee-Zeltlager«. Außerdem fehlt es an Geld für die Stromversorgung des Camps. Doch die Protestcamper im Herzen Kreuzbergs geben sich weiterhin betont kämpferisch. Am Sonntag wurde feierlich das einjährige Bestehen am Oranienplatz begangen. Zwar feierten viele Gäste ausgelassen, doch eine bedrückende Grundstimmung blieb. Immerhin ist die Zukunft des Camps ungewiss, genau wie die Zukunft der Menschen, die hier seit einem Jahr ausharren. An diesem Sonntag aber weicht die Perspektivlosigkeit dem Zweckoptimismus. Es wird getanzt, gekickt, getrunken und gelacht. Am Abend sind noch gut 200 Gäste auf dem Platz. Doch die fehlen im Alltag zunehmend. Im Laufe des vergangenen Jahres sind immer mehr »Supporter« abgesprungen. Dauerprotest ist anstrengend. Allerdings könnten Änderungen auf die Protestierenden zukommen. Der Berliner Senat hat einem Bericht des Neuen Deutschland zufolge angekündigt, den von den Grünen regierten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bei der Suche nach alternativen Unterkünften zu unterstützen. Im Gegenzug müsste dann aber das Camp geräumt werden. Dass sich die Bewohner darauf einlassen werden, ist unwahrscheinlich. Schließlich soll das Camp vor allem eine zentrale Anlaufstelle für politische Aktivitäten sein, ein Symbol gegen Ausgrenzung und rassistische Asylpolitik. Für den Senat wäre ein Umzug der Refugees ohnehin nur eine Zwischenlösung. Da die meisten Flüchtlinge in Berlin keinen legalen Status hätten, sollten sie mittelfristig wieder in ihre Unterkünfte in die triste Provinz gebracht werden, stellt die Senatsverwaltung klar.