»Stigma des Bezirks«

In den vergangenen Monaten hetzten Nazis und manche Anwohner gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Hellersdorf. Die Initiative »Hellersdorf hilft« möchte hingegen die Flüchtlinge unterstützen, am Wochenende lieferten über 250 Helfer Sachspenden in die Unterkunft. Pressesprecher Stephan Jung gibt Auskunft.

An was mangelt es den Flüchtlingen?
Die 220 Kartons mit Sachspenden, die wir sammeln konnten, haben geholfen. Es fehlt Hilfe bei Behördengängen. Es mangelt an Psychologen, die bei der Erstellung von Attesten für das Asylverfahren helfen können. Aber für dieses Heim ist vorerst gesorgt. Es gibt Heime, auf die keine mediale Aufmerksamkeit gerichtet ist und die jetzt mehr Spenden brauchen.
Was erhalten die Flüchtlinge von staatlicher Seite?
Nur das absolut existentiell Notwendige als Leihgabe. Wir gehen davon aus, dass den Leuten in Hellersdorf Asyl gewährt wird. Dank der Spenden haben sie dann einen kleinen Besitz, wenn sie das Heim verlassen können.
Wie viel Schutz benötigt das Heim zurzeit noch?
Es gibt einen Wachschutz, meiner Einschätzung nach mit einer erhöhten Anzahl an Mitarbeitern. Soweit ich weiß, ist die Polizeipräsenz erhöht, auch Zivilpolizisten sind im Einsatz. Die Lage hat sich aber entspannt. Auch bei unserer Aktion am Samstag ist es nur zu einem kleinen Zwischenfall gekommen.
Was ist geschehen?
Zwei alkoholisierte Anwohner haben einen Aktionsteilnehmer auf homophobe Weise beleidigt.
Ist das charakteristisch für die Stimmung zwischen Heimbefürwortern und –gegnern?
Wer laut ist, fällt stärker auf. Deshalb haben die Gegner lange das Bild geprägt, auch wenn sie nicht in der Überzahl waren. Es gab viele direkte Anwohner, die sich aufgrund der aggressiven Stimmung nicht getraut haben, sich zu Wort zu melden. In den vergangenen Wochen haben viele Bürger ihre Hilfe angeboten oder gespendet und waren froh, dass sie das relativ anonym machen konnten.
Warum ist die Lage ausgerechnet in Hellersdorf eskaliert?
Die Vorgeschichte des Bezirks war entscheidend. Er hat seit den Neunzigern ein Stigma weg. Er wird von rechter Seite gern zur Hochburg stilisiert, das war ein bestimmendes Motiv der Nazis, derart mobil zu machen. Die Medien sind darauf angesprungen, weil dies dem Stigma des Bezirks entsprach. Aber unsere Aktion hat gezeigt: Es gibt noch ein anderes Hellersdorf.