Braucht man die noch?

»Wie öffnet man sich da eigentlich in Richtung Angela Merkel und gleichzeitig in Richtung Linkspartei?«, fragte Steffi Lemke, scheidende Bundesgeschäftsführerin der Grünen, am Freitag voriger Woche in Berlin. Eine wichtige Frage, sind die Grünen doch nun die kleinste Oppositionspartei im Bundestag. Auf dem Parteitag folgte »Abschied auf Abschied« (SZ). Fast die komplette Führungsriege wurde ausgetauscht. Neben Lemke nahmen auch die Urgesteine Jürgen Trittin und Claudia Roth als »Mutter Courage« (WAZ) ihren Hut. Nur einer aus dem alten Vorstand bleibt: Cem Özdemir. Der »Realofürst« (Spiegel) versuchte sich ebenfalls an der Frage, wie es denn nun aussehe mit den Bündnissen der Zukunft: »Wir sind nicht links und wir sind nicht rechts, wir sind vorn!«, rief er den Delegierten zu. Genau diese politische Feigheit wurde den Grünen bei der Bundestagswahl zum Verhängnis. Heraus kamen peinliche 8,4 Prozent, die auch Özdemir anzulasten sind. Das ist auch den Delegierten nicht entgangen. Zwar gaben sie ihm als Parteivorsitzendem eine zweite Chance, von leidenschaftlicher Zustimmung kann aber nicht die Rede sein. Am Ende wurde Özdemir mit nur 71,41 Prozent wiedergewählt. Die Welt spricht angesichts des bislang schlechtesten Ergebnisses seit seinem Amtsantritt 2008 von einem »Denkzettel«. Kein guter Neustart also für eine Partei, die in der Sinnkrise steckt. Die anderen neu gewählten Vorstandsmitglieder sind unbekannte Figuren, die als linkes Gegengewicht zum auf die »Mitte«-fixierten Realo-Flügel kaum taugen. Der nämlich formiert sich gerade neu: Konservative Stimmen wie die des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann gewinnen an Einfluss. Spiegel Online inspirierte das zu der Schlagzeile: »Tea-Party bei den Grünen.« Der Richtungsstreit könnte der Anfang vom Ende der Grünen sein: Eine Partei, die in einer imaginierten politischen Mitte herumwabert und sich dabei selbst im Weg steht, braucht kein Mensch.