Die Proteste der »Lampedusa«-Gruppe in Hamburg

Jagdsaison in Zivil

Hamburgs Polizei verstärkt die Kontrollen von Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Sie sucht nach Flüchtlingen der sogenannten Lampedusa-Gruppe.

Ein Hubschrauber kreist über der St.-Pauli-Kirche in Hamburg, in der 80 Männer aus westafrikanischen Ländern übernachten. Nach monatelangen Verhandlungen lauerten am 11. Oktober Polizisten und Mitarbeiter der Ausländerbehörde rund um die Kirche, die S-Bahnstation Reeperbahn und das Protestzelt am Hauptbahnhof auf Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Sie haben es auf die Gruppe »Lampedusa in Hamburg« abgesehen, die für die rund 300 aus Libyen vertriebenen Wanderarbeiter ein Bleiberecht aus humanitären Gründen fordert. Sie waren 2011 in Lampedusa angekommen, erhielten Aufenthaltskarten und italienische Reisepapiere. Von dort sind sie im Winter 2013 nach Deutschland gereist, weil einige italienische Städte ihre Unterkünfte schlossen. Der Hamburger SPD-Senat vermutet, dass die Reisevisa abgelaufen sind, und möchte die Männer nach Italien abschieben. In den Wochen vor dem 11. Oktober und in den darauffolgenden Tagen hat die Polizei nach Angabe der Innenbehörde mindestens 82 Männer angehalten und mindestens 35 von ihnen erkennungsdienstlich behandelt. Soweit bekannt, kamen alle nach ­einigen Stunden frei, manche unter Meldeauflagen. Einige beantragten eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen. Mindestens einer, ein Mann aus Togo, erhielt eine sofortige Ausreiseaufforderung, gegen die er Widerspruch eingelegt hat.

Der harte Kurs der SPD befeuert nicht nur die Debatten über den Umgang mit Flüchtlingen, die Abschottung der EU und das Dublin-II-Verfahren, sondern auch die über das Racial Profiling. Seit den verstärkten Kontrollen vergeht kein Tag ohne Protest: Unterstützer begleiten die Männer zu Demonstrationen, verfassen Manifeste, besetzen den Rathauseingang, blockieren den morgendlichen Berufsverkehr und protestieren mit über 1 000 Teilnehmern gegen die Kontrollen. Die Diakonie, der Fußballverein St. Pauli, die Gewerkschaft Verdi, die Kirche und andere Unterstützer fordern vom Senat, rechtliche und politische Spielräume für die Kriegsflüchtlinge zu nutzen, etwa durch eine Gruppenanerkennung oder ein mehrmonatiges Moratorium.

Die Flüchtlinge selbst betonten in einem offenen Brief und auf einer Pressekonferenz Mitte Oktober erneut ihre Gesprächsbereitschaft: »Wir sind Inhaber gültiger Ausweisdokumente – was auch die gesamte Polizeioperation rechtlich in Frage stellt.« Sie erklärten auch, keine Asylanträge stellen zu wollen, weil sie das Procedere bereits in Italien durchlaufen hätten. Die Innenbehörde begründet den Polizeieinsatz damit, dass Gespräche zwischen Senat, Kirche und Flüchtlingen gescheitert seien und sich die Gruppe weigere, Angaben zu Personen zu machen: »Sie lehnen jeden Kontakt mit der Stadt ab. Deshalb sind die Behörden gezwungen, aktiv zu werden, um die Identität und den Aufenthaltsstatus der Männer zu klären.« Die Behörden seien verpflichtet, »auch im Interesse der Gleichbehandlung aller zu uns kommenden Flüchtlinge«, auf die Beachtung von Recht und Gesetz hinzuwirken.
Wie genau es Hamburgs Polizei mit den gesetzlichen Regeln für Kontrollen und erkennungsdienstliche Behandlungen nimmt, untersuchen derzeit Anwälte und die Linkspartei in der Bürgerschaft. Nach welchen Kriterien kontrolliert die Polizei Personen, die dem Polizeisprecher Mirko Schreiber zufolge »erkennbar illegal« seien? Die Anwältin Cornelia Ganten-Lange bezeichnete die Kontrollen als »rassistische Übergriffe«. Ihr Mandant sei »ohne Grund festgenommen« und über sieben Stunden eingesperrt worden. Zudem habe er gültige Papiere bei sich gehabt. Obwohl an keiner Stelle Zweifel daran geäußert worden sei, dass er die Person auf dem Ausweis sei, so Ganten-Lange, seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Das sei rechtswidrig. Vorige Woche hat sie Klage beim Hamburger Verwaltungsgericht eingereicht. Die Gruppe »Lampedusa in Hamburg« kämpft weiter: »Wir sind die Über­lebenden der Flucht über das Mittelmeer. Aber wir sahen andere, Freunde, Kinder ertrinken. Wir haben das Recht, hier zu sein.«