Stets besorgt

Es ist wohl so etwas wie eine Berufskrankheit: Paul Connolly vermutet stets Schlimmstes. Schließlich beschäftigt sich der Journalist in seiner Show »Paul Connolly Investigates« beim irischen Privatsender TV3 undercover mit Themen wie Verbrechen, Prostitution und dem Leben der irischen Travellers. Am Montag voriger Woche erreichte ihn eine Nachricht über die Facebook-Seite seiner Show. Eine Zuschauerin hatte aufmerksam ferngesehen. Nachrichten über ein blondes Mädchen, das in Griechenland bei Roma-Eltern lebe, die mutmaßlich nicht ihre leiblichen Eltern seien, ließen sie annehmen, in ihrer Nachbarschaft sei etwas faul. In Tallaght, einem Vorort von Dublin, lebe ebenfalls ein blondes, blauäugiges Mädchen bei einer Roma-Familie, postete die Zuschauerin und nannte Namen und Adresse des Kindes. Bei Connolly läuteten ob dieser Abweichung von rassistischen Stereotypen die Alarmglocken. Er leitete die Facebook-Nachricht an die irische Polizei weiter, damit sie Ermittlungen aufnehme. »Sehr, sehr spezifisch« sei die Nachricht gewesen, »was mich besorgte«, gab Connolly später zu verstehen. »Eine sehr genaue Beschreibung des Kindes« habe sie enthalten.
Blond und blauäugig und Roma – sonst stand da nichts. Der investigative Journalist hat eben die Gabe, zwischen den Zeilen zu lesen, beziehungsweise seine rassistische Phantasie spielen zu lassen. So ist Connolly auch für eine Reportage über Roma in Irland, in der er ihnen organisiertes Betteln und betrügerischen Bezug von Sozialleistungen unterstellte, kritisiert worden. Doch mit seiner »Sorge« war er nicht allein: Noch am selben Nachmittag stattete die Polizei der Familie in Tallaght einen Besuch ab, um die Identität des Mädchens festzustellen. Die Polizei war mit den Angaben nicht zufrieden, also musste das Mädchen zwei Nächte in einer staatlichen Kindereinrichtung verbringen, während die DNA von Eltern und Kind überprüft wurde. Auch eine weitere Roma-Familie in Athlone wurde wegen ihres blonden Kindes denunziert. Ihr Zweijähriger musste ebenfalls in eine staatliche Einrichtung. Die Genuntersuchung gab den Familien Recht, doch das Trauma bleibt. Pavee Point, eine Organisation, die irische Roma und Traveller repräsentiert, sprach von »staatlichen Entführungen« und kritisierte die rassistische Diskriminierung. Doch in den Köpfen von Connolly & Co. werden es wohl weiterhin Roma sein, die Kinder entführen.