Die Model-Show »Africa’s Next Top Model«

Bloß nicht umknicken

Einzug in die Model-Villa, Umstyling, Catwalk-Training in luftiger Höhe, Zickenkrieg: »Africa’s Next Top Model« kommt einem ziemlich bekannt vor.

So etwas wie einen Mitleidsbonus gibt es bei der Moderatorin und Jurorin Oluchi Orlandi nicht: Extra aus Australien nach Südafrika gereist, um an der ersten Staffel von »Africa’s Next Top Model« teilzunehmen? Interessant, und wow, war sicher ganz schön lang, der Flug, aber nein, danke, es fehlen alle Voraussetzungen zum Mannequin-Werden, die Nächste, bitte. Viel Zeit wird also nicht investiert, um die hoffnungsvollen Kandidatinnen der Model-Show vorzustellen, die unverschlüsselt im südafrikanischen Pay-TV-Sender AM-E läuft. Auch in anderen afrikanischen Ländern kann die Sendung empfangen werden. Zuvor wurden in sieben afrikanischen Ländern Castings veranstaltet, zu denen junge Frauen aus dem gesamten Kontinent angereist waren. Bereits nach der Hälfte der ersten Folge stehen die zwölf Finalistinnen fest. Da ist die Medien­studentin Roselyn aus Ghana, deren Schwester bereits modelt und kürzlich offiziell zum Gesicht der Fashion Week Monrovia gewählt wurde. Da sind Opeyemi aus Nigeria, die schon während des Studiums mit Modeljobs begonnen hat, und die nigerianischen Freizeitmodels Joyce und Omowunmi, die als erste in die Model-Villa in Capetown einziehen durften. Zu ihren Konkurrentinnen gehören gleich drei Südafrikanerinnen, Cheandre, 20, Psychologiestudentin, die Schülerin Rhulani sowie die Schauspielerin Michelle. Dazu kommen Marwa aus Tunesien, die gerade nach Nairobi gezogen ist und dort ein Modegeschäft eröffnet hat, die ugandische Verkäuferin Aamito und Steffi aus Kenia. Topmodel werden möchten auch das Teilzeitmodel Safira aus Mosambique und die Jurastudentin Michaela aus Uganda. Beide sprechen fast ausschließlich Portugiesisch, zur Freude der anderen Teilnehmerinnen, die sich fortan ständig gegenseitig versichern, dass kaum Englisch sprechen zu können ganz sicher ein entscheidender Wettbewerbsnachteil ist. Kaum dass die Models ihr Quartier bezogen haben, steht auch schon fest, wer die nervigste Person der Staffel fest: Es ist Omowunmi. Das Model verkündet, dass ihr die anderen komplett egal seien, sie sei hier, um zu gewinnen, und dass sie am Ende die Siegerin sein werde, stehe ja praktisch schon fest. Ihr lautes Selbstbewusstsein kommt, wenig überraschend, bei den Kolleginnen nicht gut an.
Der erste Krach in der schicken Villa entzündet sich allerdings an einem anderen Thema: Die beiden einzigen weißen Wannabe-Topmodels der Staffel sind Vegetarierinnen, was bei den anderen auf Unverständnis stößt, zumal sie sich von Michelles und Cheandres Tierrechtsargumentation moralisch unter Druck gesetzt fühlen. Und dann wird auch schon geweint, denn pünktlich zu Beginn der zweiten Folge steht das sogenannte Umstyling an – in allen »Top Model«-Staffeln, egal in welchem Land, ist das ein ganz besonderes Highlight, jedenfalls dann, wenn man als Zuschauer darauf steht, verzweifelten Frauen dabei zuzugucken, wie sie um jeden Zentimeter ihrer Haare kämpfen. Wie zu erwarten war, sind auch die afrikanischen Stylisten und Friseure bösartige Sadisten, die erst ausgiebig raspelkurze Frisuren androhen, um dann doch nur, nachdem sie sich am Entsetzen der Kandidatinnen geweidet haben, hier ein bisschen Pony zu schneiden und dort ein wenig Strähnchenfarbe aufzutragen. Halt, nein, nicht ganz. Aamito mit den kaputten Haaren wird die nächsten Wochen mit einer blonden Afro-Perücke leben müssen. Und Michaela bekommt eine sonderbare Frisur, was für ihren weiteren Verbleib in der Sendung nichts Gutes erahnen lässt, denn eine »Top­model«­-Faustregel besagt, dass immer, immer, immer diejenige Frau mit dem besonders unvorteilhaften neuen Haarschnitt nach Hause fahren muss.
So ist es auch diesmal, Michaela muss gehen, nachdem sie die erste Aufgabe der Show, mit Landesfähnchen für den Trailer der Sendung zu posieren, glorios vergeigt hat. Auch Safira wird nach Hause geschickt, auf ihrer Facebook-Seite wird sie ihre erbosten, eine Verschwörung gegen ihr Land witternden Fans mit dem Standardsatz zu beruhigen versuchen, den ausgeschiedene Kandidatinnen grundsätzlich sagen, nämlich sie werde weitermachen und viel üben, und dann werde die Welt schon sehen, was sie für ein großartiges Model sei. Omowunmi zeigt sich, im Gegensatz zu den anderen Frauen, nicht besonders traurig über das Ausscheiden von gleich zwei Konkurrentinnen und erklärt unbeeindruckt, nun habe sie endlich mehr Platz für ihre Klamotten.
Dann verkündet Oluchi Orlandi auch schon Neuigkeiten, die viel Herumgehopse und Gequietsche zur Folge haben: Es geht nach Johannesburg, zur ersten Modenschau der Staffel. Und zu einer Location, die eher eine Art Hindernispark ist. Der Catwalk wird in einem Park stattfinden, zu dem unter anderem eine auf einen Felsen führende Treppe gehört. Eigentlich sollte das kein Problem sein, denn die Frauen sind alle extrem gut darin, sich auf hohen Absätzen zu bewegen, was den angenehmen Nebeneffekt hat, dass das vor allem im deutschen Model-Format obligatorische High-Heels-Training komplett entfällt. Dafür gibt es eine andere Widrigkeit, und das sind die Profimodels, die ebenfalls an der Schau teilnehmen und die Casting-Show-Teilnehmerinnen gemein behandeln. »Eine Tragödie« wäre es entsprechend, wenn eine von ihnen umknicken würde, erklärt Cheandre, »denn das würde auf uns alle zurückfallen, Team Topmodel hat versagt, wird es dann heißen«. Und prompt fällt bei den Proben Safira auf dem Felsen um, die Höhenangst hat und wie die anderen auch zusätzlich extrem angespannt ist, weil den Kandidatinnen eingeschärft wurde, dass es extrem wichtig sei, als Erste oder Letzte der Truppe zu laufen, adenn das seien immer die besten Models.
Am Abend vor der Show wird heiß diskutiert. Irgendjemand hat das Gerücht aufgebracht, Rhulani sei bisexuell, denn sie fasse ihre Mitmodels dauernd an. Nach viel Getuschel und Getratsche wird ihr beim Abendessen schließlich eröffnet, dass es vollkommen okay sei, auf Frauen zu stehen, man habe da überhaupt kein Problem damit. »Das ist nett von euch«, antwortet die überraschte Rhulani, »aber ich bin gar nicht bisexuell, ich habe zu Hause einen Freund.« Nachdem das geklärt ist, geht es wieder um die große Frage, wer die Show eröffnen und wer sie beenden darf. Die ist zwar längst geklärt – Cheandre wird als Erste den Laufsteg betreten, Opeyemi als Letzte –, aber Omowunmi hat eine Entdeckung gemacht: »Es ist gar nicht so wichtig, wer wann läuft, denn es kann ja auch gut sein, dass die, die eröffnen und beenden dürfen, hinfallen, und dann haben sie gar nichts davon.« Dann geht alles glatt, die Frauen präsentieren die Abend- und Businessmode des Designers Thula Sindi ziemlich perfekt, nur Safira beschwert sich. Die Schuhe waren zu eng, der Teppich war rutschig, die Kleider passten nicht so richtig, irgendwie war alles blöd. Ganz schlechter Move, wie erfahrene »Topmodel«-Zuschauer wissen, denn Meckern kommt bei der Jury nie gut an. Wenig überraschend fliegt Safira dann auch umgehend raus.
Oluchi Orlandi, die 1998 als Siegerin des Wettbewerbs »Faces of Africa« ihre internationale Karriere begann und heute in New York lebt, verkündet kurz und knapp, wer bleiben darf. Lange Kunstpausen, dauerndes Versichern, dass jetzt aber wirklich gleich die Entscheidung falle, und der Satz »Ich habe heute kein Foto für Dich« kommen wohl nur im deutschen »Topmodel«-Format vor.