Rechtsextreme Parteien bereiten sich auf die Wahl zum Europaparlament vor

Kein Bund fürs Leben

Angesichts der Europawahlen im kommenden Jahr gehen rechtsextreme Parteien verschiedener Länder neue Bündnisse ein. Dazu trennen sich manche auch von alten Verbündeten.

Sage mir, mit wem du koalierst, und ich sage dir, wer du bist – ungefähr so lässt sich die Problematik zusammenfassen, vor der verschiedene Par­teien der extremen Rechten in Europa derzeit stehen. Sie gehen damit allerdings auf unterschiedliche Weise um. Denn manchen kommt es durchaus gelegen, in die Nähe ihrer Geistesverwandten in Europa gerückt zu werden, es verschafft ihnen den Anschein der Stärke und einen vermeintlichen Bedeutungszuwachs. Andere wiederum scheuen den Vergleich und hoffen offensichtlich, durch eilfertige Distanzierungen von anderen Parteien alle Vorwürfe des Rassismus auf diese abwälzen zu können.

Dieses Spiel ist nicht neu. Spätestens seit Jörg Haider Jean-Marie Le Pen, mit dem er 1989 am Genfer See zusammengetroffen war, wenige Jahre später in Le Figaro und Le Monde als »Rassisten« bezeichnete, ist es bekannt. Am 15. November kamen nun sechs europäische Parteien in Wien zusammen und vereinbarten ein Bündnis für die Wahl des Europaparlaments im kommenden Mai. Neben der FPÖ unter Heinz-Christian Strache gehören dazu der französische Front National (FN), die italienische Lega Nord, der belgische Vlaams Belang (VB), die Schwedendemokraten (SD) und die Slowakische Nationalpartei (SNS).
Als ihr Ziel geben die vereinigten Rechtsextremen an, im nächsten Europaparlament die drittstärkste Fraktion nach Christ- und Sozialdemokraten zu stellen. In ihrem gemeinsamen Kommuniqué heißt es, sie wollten für »die Bewahrung der kulturellen Identitäten der europäischen Völker, gegen eine Masseneinwanderung und eine Islamisierung Europas« kämpfen.
Eine weitere Partei war nicht in Wien dabei, wird aber ebenfalls in den Plänen berücksichtigt, im kommenden Europa-Parlament eine gemeinsame Fraktion zu bilden, wofür mindestens 25 Abgeordnete aus sieben verschiedenen Mitgliedsländern der EU erforderlich sind. Am 13. November, zwei Tage vor der Zusammenkunft in Wien, hatte Marine Le Pen den Vorsitzenden der niederländischen Partei für die Freiheit (PVV), Geert Wilders, in Den Haag getroffen (Jungle World 47/2013). Gemeinsam besuchten sie das niederländische Parlament und hielten eine Pressekonferenz ab, während zwei Dutzend antifaschistische Gegendemonstranten Plakate hochhielten. Bereits im April hatten Wilders und Marine Le Pen in Paris miteinander gespeist, was damals jedoch erst nach drei Tagen publik wurde.
Geert Wilders und seine 2006 gegründete Partei bleiben in der europäischen extremen Rechten umstritten. Der Grund ist, neben Wilders Herkunft aus der wirtschaftsliberalen Partei VVD, seine starke Bindung an den Staat Israel. Während ein Teil der europäischen extremen Rechten ebenfalls auf ein antimuslimisches Bündnis mit der israelischen Rechten setzt, steht dem bei anderen ein starkes antisemitisches Erbe entgegen, am stärksten bei deutschen und österreichischen Nazis sowie in Teilen des FN, dessen Führung sich jedoch offiziell vom Antisemitismus distanziert. Hingegen sind vor allem nordeuropäische Rechtsparteien für eine Allianz mit der israelischen Rechten aufgeschlossen.
Deswegen ließ die Dänische Volkspartei (DFP), die eine rassistische und überwiegend antimuslimische Politik verfolgt, aber nicht als faschistisch gelten möchte, am 14. November verlauten, sie sei an einem Bündnis mit der niederländischen PVV und dem französischen FN nicht interessiert. Der Parteisprecher Soren Sonder­gaard sagte, der FN sei noch immer »keine sympathische Partei«. Als konkreten Grund nannte er die noch immer große Präsenz von Jean-Marie Le Pen, auch wenn seine Tochter Marine für eine andere Politik stehe.

Bei extremen Rechten in den Niederlanden ist Wilders ebenfalls umstritten. Die PVV dominiert zwar in ihrem Land organisatorisch die extreme Rechte, aber neben ihr existieren radikalere, teilweise militante, jedoch zersplitterte Gruppen. So zitierte die Zeitung Vrij Nederland den Vorsitzenden der neonazistischen Nederlandse Volks-Unie (NVU), Constant Kusters, mit den Worten: »Wilders ist Zionist, und es wird mir übel, wenn ich ihn mit Kippa an der Klagemauer stehen sehe.« Dennoch musste Kusters eingestehen: »Aber ich teile 90 Prozent seiner Positionen.« Denn Wilders’ Wähler wollten »ganz einfach die Grenzen dichtmachen«. Kusters kam zu dem Schluss: »Wilders schafft, was wir nie erreicht haben.« Größere Distanz herrscht jedoch beispielsweise bei der Gruppe Zwart Front (Schwarze Front).
Auch zwischen dem FN und Geert Wilders bestehen Differenzen, etwa bezüglich der gleichgeschlechtlichen Ehe. Die PVV befürwortet diese und behauptet, wenn es um die Rechte von Homosexuellen und Frauen gehe, seien allein die Muslime reaktionär, also ihre strategischen Hauptfeinde. Anhänger und Parteifunktionäre des FN dagegen gingen gegen die gleichgeschlechtliche Ehe in Frankreich auf die Straße. Zumindest die Wähler der PVV scheint das nicht zu stören. 81 Prozent von ihnen befürworten die Zusammenarbeit mit dem Front National, wie der niederländische Meinungsforscher Maurice de Hond jüngst in einer Umfrage feststellte.
Dem Bündnis mit Wilders musste der FN allerdings die Verbindungen zu der neonazistischen ungarischen Partei Jobbik opfern. Die außenpolitischen Ziele von Jobbik sind unvereinbar mit einem christlich-abendländischen, auf Abgrenzung vor allem zu außereuropäischen Einwanderern, Muslimen und Roma zielenden Nationalismus wie bei Wilders.
Aus historischen Gründen blicken ungarische Nationalisten eher nach Asien. Im frühen 20. Jahrhundert kam in dem Land die Strömung des von der Türkei faszinierten Turanismus auf. Und nachdem am Ausgang des Ersten Weltkriegs die Donaumonarchie aufgelöst und Ungarn, wie im Vertrag von Trianon 1919 vorgesehen, erheblich verkleinert worden war, fühlten sich die ungarischen Nationalisten vom Westen verraten, so etwa von Frankreich, auf dessen Boden der Trianon-Vertrag geschlossen worden war. Infolgedessen bezogen sich ungarische Nationalisten eher auf den Nationalismus der türkischen Kemalisten und auf den aufstrebenden japanischen Militarismus. Diese Bezüge bestehen ungebrochen fort. Vom 30. Oktober bis zum 2. November besuchte der Jobbik-Vorsitzende Gabor Vona vier türkische Universitäten. Dabei sagte er auch, Jobbik werde von westlichen Politikern verfolgt, »weil wir stets in Treue fest zur Türkei und zu den turanischen Völkern wie in Aserbaidschan hielten«.
Ende Oktober mussten wegen der politischen Grundsätze von Jobbik zwei der drei Europaparlamentarier des französischen FN, Jean-Marie Le Pen und Bruno Gollnisch, auf Anordnung der dritten Abgeordneten und Parteivorsitzenden aus einer europäischen Bündnisorganisation austreten. Im Oktober 2009 war in Budapest die »Europäische Allianz der nationalen Bewegungen« gegründet worden, europaweit unter dem franzö­sischen Namenskürzel AEMN bekannt. Neben faschistischen Splitterparteien alter Schule gehörten ihr als mit Abstand stärkste Parteien der FN und Jobbik an. Den Vorsitz der Allianz führte bis vor kurzem Gollnisch.
Bereits 2011 war der FN allerdings noch einer anderen europäischen Vereinigung beigetreten, der European Alliance for Freedom (EAF). Dort sind unter anderem auch die FPÖ und der Vlaams Belang beteiligt. Seit November 2012 ist Marine Le Pen stellvertretende Vorsitzende der EAF, den Vorsitz hat der FPÖ-Politiker Franz Obermayr inne. Mittlerweile gehört der FN nur noch der EAF an. Im vergangenen Monat traf Marine Le Pen eine Richtungsentscheidung und löste mit dem Austritt des FN aus der AEMN die organisatorischen Verbindungen zu Jobbik.