Zeitgemäßes Feindbild

Noch 2012 hatten wohl die wenigsten überhaupt von ihr gehört. Die National Security Agency (NSA), ihre Überwachungsaktivitäten und Skandale waren zwar bereits öfter Gegenstand von Filmen und Nachrichten. Richtig bekannt wurde sie aber erst im Juni 2013, als der Guardian Informationen über die umfassende Überwachung durch die NSA und den britischen Geheimdienst GCHQ veröffentlichte, die der Zeitung von Edward Snowden zugespielt worden waren. Steckte bisher vor allem die CIA hinter all den angeblichen Verschwörungen des US-Imperialismus, ist es nun auch noch die NSA. Anders als einige CIA-Agenten, die weltweit Abenteuer erleben, hocken die Nerds und Geeks der NSA aber meist vor ihren Rechnern und lösen knifflige Entschlüsselungsaufgaben. Das wirkt weniger spannend, ist aber zeitgemäßer. Ein Update des Feindbildes USA wurde sowieso mal nötig. Auf den Protestschildern muss praktischerweise trotzdem nur das »U« von »USA« gegen ein »N« ausgetauscht werden.
Die Empörung über den Umgang mit Internetdaten und Whistle­blowern ist durchaus berechtigt. Ein Hort der Emanzipation ist die NSA nicht, vielmehr wurden und werden reaktionäre Gruppen und Regime oft von Geheimdiensten der USA und anderer Länder unterstützt. Dass die umfassende Überwachung tatsächlich Terroranschläge verhindert, ist hingegen kaum zu belegen. Doch überraschen dürfte es nicht, dass Staaten einander und ihren eigenen Bürgerinnen und Bürgern nicht trauen und gerne mehr wissen wollen als das, was freiwillig auf Facebook preisgegeben wird. Manchmal wäre ein bisschen mehr Überwachung sogar wünschenswert. Hätten die USA doch bloß die deutschen Geheimdienste besser überwacht: NSA deckt NSU auf – das wäre eine wunderbare Nachricht gewesen! Aber da keine Islamisten und US-Bürger beteiligt waren, war der NSU-Terror offenbar nicht von Interesse. Bedenklich ist auch, welche Daten bei der täglichen Internetnutzung gesammelt werden und wie private Konzerne und Geheimdienste dabei zusammenarbeiten. Ob die gesammelten Daten kommerziellen Interessen oder der »nationalen Sicherheit« dienen, macht jedoch meist keinen großen Unterschied, zumal die Interessen sich häufig überschneiden. Und eines muss der NSA und ihren Schwestern zugute gehalten werden: Ohne sie hätten wir womöglich gar keine Computer und kein Internet.