Die Geldpolitik der US-Notenbank Fed

Lob der Stagnation

Eine Abkehr von der keynesianischen »Politik des billigen Geldes« in den USA ist weiterhin kaum in Sicht. Die beiden früheren Versuche, die Geldmenge zu verknappen, erwiesen sich als Fiasko.

Nur selten hat sich ein Autor so kurz nach dem Erscheinen von seinem eigenen Buch distanziert. Umso überraschender ist es, dass sich nun ausgerechnet Alan Greenspan berichtigte, der bislang nicht gerade für eine ausgeprägte Neigung zur Selbstkritik bekannt war. Erst im Oktober vorigen Jahres erschien das Buch »The Map and the Territory« des Mannes, der von 1987 bis 2006 die Geschicke der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) gelenkt hatte. Nun hat Justin Fox, Herausgeber der Harvard Business Review, in seinem Blog ein Gespräch veröffentlicht, das er mit Greenspan am Jahresende geführt hat und in dem dieser freimütig eingestand, dass er sein Werk bereits für überholt halte. Die Fahne für das Buch, in dem Greenspan unverdrossen die »Selbstheilungskräfte des Marktes« beschwört und jeglichem Ausbau von Sozialstaatlichkeit eine rigide Abfuhr erteilt, sei schon im Juni in die Druckerei gegangen. »Seitdem habe ich viel dazugelernt«, zitiert Fox den »schlechtesten Ex-Zentralbanker der Welt«, wie ihn der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman zuletzt in einer Reaktion auf das Buch nannte.
Ob dies nun einer keynesianischen Wende im Denken Greenspans entspringt, wie einige Kommentatoren mutmaßten, oder aber lediglich taktischen Überlegungen, um den Einfluss in der US-Politik nicht vollends zu verlieren, muss vorläufig dahingestellt bleiben. Jedenfalls finden sich derzeit in den USA, von den Anhängern der Tea Party abgesehen, kaum einflussreiche Währungspolitiker oder -analysten, die nicht in das Lob der »Politik des billigen Geldes«, wie sie Greenspans Nachfolger an der Spitze der Fed, Ben Bernanke, seit 2008 betreiben hatte, einstimmen würden, obwohl diese für Monetaristen eigentlich eine wirtschaftspolitische Todsünde ist.
Bereits Bernankes Ankündigung im Frühsommer des vergangenen Jahres, zumindest darüber nachzudenken, den als quantitative easing bezeichneten Ankauf von US-Staatsanleihen durch die Zentralbank einzudämmen und auslaufen zu lassen (Jungle World 27/2013), rief nicht nur dramatische Kursabstürze an den Wertpapierbörsen hervor, sondern auch scharfe Kritik zahlloser Finanzexperten und Politiker. Sogar der kaum des Keynesianismus verdächtige Chefökonom der Investmentbank Morgan Stanley, Joachim Fels, warnte vor einem »erheblichen Schaden für die Weltwirtschaft«, und die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, ließ wissen, dass sie »keinen Grund für einen schnellen Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik« sehe.
So war es dann schon fast ein »Paukenschlag« (Welt), als Bernanke Mitte Dezember nach der Sitzung des Zinsausschusses der Fed auf seiner letzten Pressekonferenz als Vorsitzender der Notenbank verkündete, dass das monatliche Volumen des Ankaufs von US-Anleihen schrittweise um zehn auf 75 Milliarden US-Dollar vermindert werden solle. Zugleich kündigte er aber bereits damals an, dass der Leitzins, zu dem die Fed den Banken Geld leiht, bei null bis 0,25 Prozent bleiben werde, bis die Arbeitslosenquote auf 6,5 Prozent gesenkt sei. Derzeit beträgt sie etwas mehr als sieben Prozent. Selbst diese kaum merkliche Abkehr von der Flutung der Märkte mit Dollars ist nun schon wieder Geschichte. Wie aus den nun veröffentlichten Protokollen der Sitzung hervorgeht, könnte das quantitative easing zwar tatsächlich langsam auslaufen, an der Nullzinspolitik soll aber auch bei sinkenden Arbeitslosenzahlen mindestens bis zum April 2015 festgehalten werden.
Angesichts der Ende des Monats anstehenden Übergabe der Führung der Fed an Janet Yellen wäre aber auch eine Weiterführung der seit fünf Jahren betriebenen Nullzinspolitik über den anberaumten Zeitpunkt hinaus alles andere als eine Überraschung. Stärker noch als Bernanke, der immerhin einst mit Arbeiten zur Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre wissenschaftlich hervorgetreten war, in denen er die Auffassung vertrat, dass eine langfristig angelegte expansive Geldpolitik die Depression hätte verhindern können, gilt Yellen als Vertreterin dieser expansiven Geldpolitik. Präsident Barack Obama, der Yellen als Nachfolgerin Bernankes nominierte, machte deutlich, welche Politik von ihr erwartet wird. Sie werde »für die amerikanischen Arbeiter aufstehen, die Verbraucher schützen, die Stabilität unseres Finanzsystem sichern und zum Wachstum unserer Wirtschaft in den kommenden Jahren beitragen«, prophezeite er. Mit Yellen wird erstmals seit der Ablösung Paul Volckers im Jahr 1987 eine Demokratin die Notenbank leiten.

Die designierte Vorsitzende der Fed hat sich hinsichtlich des von ihr präferierten Kurses zwar bislang nicht explizit geäußert, dafür sind aber bereits andere vorgeprescht. Der als Vertrauter Yellens geltende Präsident der Federal Reserve Bank von Minneapolis, Narayana Kocherlakota, der auch stimmberechtigtes Mitglied des Zinsausschusses der US-Notenbank ist, hatte in der vergangenen Woche mit Blick auf die Preisstabilität und die Förderung von Vollbeschäftigung, eine »noch konjunkturstimulierendere Politik« gefordert. Dass damit ein Votum gegen eine weitere Kürzung des Programms zum Ankauf von Staatsanleihen und Immobilienpapieren gemeint war, versteht sich von selbst. Kocherlakota verwies dabei auf die geringe Inflation und die nach wie vor angespannte Lage auf dem US-Arbeitsmarkt. »Die Teuerungsrate liegt nur rund halb so hoch wie von der Fed angepeilt und die Arbeitslosigkeit sinkt beunruhigend langsam«, hielt er den republikanischen Kritikern im Ausschuss entgegen.
Vieles spricht also dafür, dass die schon seit über 30 Jahren betriebene »Politik des billigen Geldes« der globalen Leit- und Reservewährung fortgesetzt wird. In der jüngeren Vergangenheit hatten die USA auf alle Krisenerscheinungen stets mit einer Ausweitung der Geldmenge reagiert. Dies galt nicht nur für die ersten Jahre nach der Bretton-Woods-Ära in den siebziger Jahren, sondern auch 1987, als der seit 1929/30 größte Einbruch an der Wall Street innerhalb einer Woche fast 30 Prozent der Vermögenstitel vernichtete, 1998 im Anschluss an die Asien-Krise, 2001 nach dem Platzen der New-Economy-Blase und erst recht seit dem Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2007, als der Leitzins von 4,75 Prozent auf null im Folgejahr gesenkt wurde.

Zwar konnte so immerhin eine relative Stabilisierung der Weltwirtschaft erreicht werden, ein neuer Akkumulationszyklus, der immer mit der »gewaltsamen Vernichtung von Kapital« (Karl Marx) beginnen muss, bleibt aber weiterhin blockiert. In seiner Studie »Boom and Bubble« hat der marxistische US-Ökonom Robert Brenner auf dieses Dilemma hingewiesen. Die »börsenkeynesianischen Therapien«, so folgert er, hätten »eine Verabreichung der bitteren Medizin der Rezession oder sogar der Depression« verhindert, die »historisch immer erst den Weg für einen neuen Aufschwung freigemacht hatte«.
Allerdings erwiesen sich zwei Versuche zur Verknappung des Geldes und damit auch der Entwertung von Kapitaltiteln in den vergangenen Jahrzehnten als Fiasko. So führte die Verdreifachung des Leitzinses auf 21 Prozent durch den zwei Jahre zuvor zum Vorsitzenden der Fed beförderten Paul Volcker im Jahr 1981 nicht nur zu einem weltweiten Einbruch der Investitionen, sondern auch in den USA selbst zu einem Rekord an Firmenpleiten und zum Platzen der ersten großen Immobilienblase. Nicht besser erging es 1994 Volckers Nachfolger Alan Greenspan, der mit seiner Verknappung der Geldmenge den Fall der aufstrebenden Ökonomien in Lateinamerika (»Tequilakrise«) und Südostasien hervorrief. Angesichts der Wahl zwischen Stagnation und Zusammenbruch scheint sich nun also auch Greenspan damit abgefunden zu haben, dass man gegen die monetaristische Lehre verstoßen muss.