Die Bananenseuche bedroht die Anbaugebiete in Mittel- und Südamerika

Der Pilz geht um

Ein hartnäckiger Bananenpilz, der die Stauden verfaulen lässt, verbreitet sich von Asien aus weltweit. In den fünfziger Jahren hatte die Bananenseuche »Panama Disease« die Produktion in den wichtigsten Anbaugebieten in Mittel- und Südamerika bereits einmal zum Erliegen gebracht. Agrarforscher befürchten, dass sich dies wiederholen könnte.

»Wenn der Pilz sich weiter so ausbreitet, ist die Bananenproduktion weltweit in Gefahr«, warnt Gert Kema. Der Bananenexperte der niederländischen Agraruniversität Wageningen ist einem Pilz auf der Spur, der derzeit auf den Philippinen die Bananenstauden ganzer Plantagen verfaulen lässt. TR4 wird der Schädling von der Wissenschaft genannt, das steht für Tropical Race 4. In den vergangenen Jahren hat sich der Bananenpilz in China, Malaysia und Indonesien verbreitet und erhebliche Teile der dortigen Plantagen verwüstet. Selbst in Australien ist der widerstandsfähige Pilz schon angekommen. Das zeigt ein Blick auf die Homepage des Agrarministeriums von Queensland. Dort wird eindringlich vor der »Panama Disease« Typ vier gewarnt. Die Krankheit, die sich in Südostasien ausbreitet, stelle eine »signifikante Bedrohung des Bananenanbaus« in Queensland dar, warnen die dortigen Experten.

Die Ausbreitung des Pilzes lässt sich trotz aller Vorsicht nicht so ohne weiteres aufhalten, wie eine Studie der Agraruniversität Wageningen belegt, die zu den wichtigsten Agrarforschungseinrichtungen weltweit gehört. An der Studie hat auch Gert Kema mitgearbeitet, sie zeigt, dass der Pilz mit dem Namen Fusarium Oxysporum f. sp. cubense bereits Jordanien erreicht hat. »Folgerichtig sind wichtige Anbauregionen in Afrika, aber auch in Südamerika bedroht«, sagt Fernando Alexander Garcia von der Universität Wageningen. Der Agraringenieur hat gemeinsam mit Kema, Kollegen aus Jordanien und den USA an der Studie gearbeitet, die im November in der Fachzeitschrift Plant Disease erschienen ist. Darin warnen die Wissenschaftler vor einer weltweiten Bananenseuche und einem Einbruch der globalen Produktion der Südfrüchte wie in den fünfziger Jahren.
Damals grassierte die »Panama Disease«, die so genannt wird, weil sie erstmals in Panama auftrat, in Mittel- und Lateinamerika und sorgte für das Ende der Gros Michel. Das war die Sorte, die bis dahin wegen ihres überragenden Geschmacks auf dem Weltmarkt dominierte. Doch der im Boden lebende Pilz infizierte die Bananenpflanzen über deren Wurzelspitzen und breitete sich im Gefäßsystem der Pflanze aus. Die großen Blätter verfärbten sich, wurden erst fleckig, dann welk und die Staude verschimmelte von innen, ohne dass die Bauern etwas dagegen tun konnten. Denn selbst die Neubepflanzung der Plantagen funktionierte nicht, da der Pilz hartnäckig ist und bis zu 30 Jahre im Boden leben kann. Die Bauern standen vor dem Ruin, bis sich herausstellte, dass eine andere Sorte, die Cavendish, gegen den tödlichen Pilz resistent war. Also wechselten Bauern wie Plantagenbesitzer die Sorte.
Cavendish ist noch immer die Sorte, die im globalen Anbau dominiert. Auf rund 80 Prozent der Plantagen wird sie angebaut. »Doch nun droht sich die Geschichte zu wiederholen«, so Randy Ploetz von der Universität Homestead in Florida. Tropical Race 4 könnte in den nächsten Jahren den Weg nach Mittel- und Südamerika finden, wo der Hauptteil der Bananen für den Markt in den USA und Europa angebaut wird. Dabei könnte der internationale Warenaustausch für die Verbreitung der Sporen sorgen, befürchtet sein Kollege Kema. Er will nicht ausschließen, dass der Pilz bereits in Mittel- und Südamerika angekommen ist. »Der Pilz reist mit dem Menschen und er hat verheerende Wirkung. Bananenanbau ist wie russisches Roulette, weil wir alle von einem Klon abhängen.«

Die weltweit dominierende Sorte Cavendish produziert keine Samen und kann deshalb auch nicht gekreuzt werden, um Resistenzen zu erzeugen. Die männlichen Blüten sind steril und die weiblichen Blüten bilden Früchte, ohne vorher befruchtet worden zu sein. Folglich sind die Früchte samenlos und können sich nur vegetativ durch die Ausbildung von Schösslingen vermehren – sie »klonen« sich gewissermaßen selbst. »Auf den großflächigen Plantagen hat der Pilz somit optimale Voraussetzungen, um sich zu vermehren«, erläutert Kema.
Das lässt sich in Asien studieren. Dort wurde der Pilz 1992 entdeckt und hat sich seitdem immer weiter verbreitet. Auf mindestens 400 Millionen US-Dollar werden die Schäden geschätzt, die Tropical Race 4 seitdem angerichtet hat. Relativ langsam, aber stetig hat sich der Pilz verbreitet. »Das Risiko heute ist größer als in den fünfziger Jahren, denn TR4 ist aggressiver und mehr als 80 Prozent der Bananenpflanzen haben dem Pilz nichts entgegenzusetzen. Sie sind nicht resistent«, schildern Ploetz und Kema das zentrale Problem. Auf den Philippinen verdoppelte sich die Zahl der infizierten Pflanzen zwischen 2005 bis 2007 und derzeit ist TR4 in Südost­asien und Australien weit verbreitet. Der Pilz macht mit der Cavendish-Banane das gleiche, was sein Verwandter TR1 in den fünfziger Jahren mit Gros Michel machte – er lässt die Staude verfaulen.
Chiquita und Dole, zwei der vier den Bananenhandel dominierenden Fruchtkonzerne, unterstützen nun die Studien von Kema und anderen Forschern, um mehr über den Pilz zu erfahren. Die Hilfe kommt spät. »Es hat bis heute viel zu wenig Mittel für die Forschung gegeben, um den Pilz besser zu analysieren und Gegenkonzepte zu entwickeln«, kritisiert Ploetz, der in den USA renomierteste Bananenexperte. Der gegen Schädlingsbekämpfungsmittel resistente Pilz findet optimale Lebensbedingungen auf den Plantagen vor. Dort stehen die Bananenstauden in langen Reihen oft über mehrere Hektar, nur unterbrochen von Kanälen, die Wasser für die Pflanzen herbeischaffen. Überdies gibt es wie in den fünfziger Jahren auch heute kein Mittel gegen den Pilzbefall und das Verfaulen der Stauden. Infizierte Stauden und Plantagen zu isolieren, ist die einzige sinnvolle Maßnahme, aber eben kein Allheilmittel, weil die Globalisierung dafür sorgt, dass Keime und Sporen immer schneller um die Welt wandern.

Das wissen auch die Fruchtkonzerne Chiquita, Dole, Del Monte und Fyffes. Für Georg Jaksch, Pressesprecher von Chiquita in Brüssel, ist der neue Erregerstamm »eine große Gefährdung«. Auf die versucht sich Chiquita vorzubereiten. So wird gemeinsam mit Forschungsinstituten, lokalen Quarantänebehörden und anderen Industrieunternehmen an einer Strategie gearbeitet, um den Pilz erst gar nicht nach Mittel-und Lateinamerika kommen zu lassen. Helfen soll unter anderem ein Handzettel mit Verhaltensvorschriften für Besucher und Lieferanten. Pflanzen und Erdreich sollen nicht unkontrolliert eingeschleppt werden. Auch Konkurrent Dole versucht laut Marketingdirektor Xavier Roussel, die Plantagen abzuschotten. Chiquita investiert überdies nach eigenen Angaben in die Züchtung neuer resistenter Sorten durch Kreuzen.
Ein langwieriger Prozess, denn unter den wenigen Bananenarten, die es gibt, findet sich laut Ploetz nur in Taiwan eine gegen TR4 resistente Sorte: »Die muss aber neu angepflanzt werden, so dass die Produktionskosten steigen würden.« Steigende Kosten für die Konsumenten der Fruchtbanane wären die Folge. Viel schlimmer sind ­jedoch die Menschen in Uganda, Ghana, Teilen Kolumbiens und anderen Gebieten dran, die Kochbananen als Grundnahrungsmittel konsumieren. »Sie müssen um einen Eckpfeiler ihrer Ernährung bangen«, sagt Ploetz. Noch ein Grund, weshalb mehr Mittel in die Forschung investiert werden müssten. Doch das ist bisher kaum der Fall, kritisieren die Bananenexperten. Nur in Australien wird derzeit im Labor mit resistenten Sorten experimentiert. Dort setzen die Experten auf Gentechnik. Ein anderes Modell der Agrarproduktion, ohne anfällige Monokulturen, wird hingegen kaum diskutiert.