Der Gesetzentwurf zur doppelten Staatsbürgerschaft

Der Zwang bleibt Option

Trotz anderslautender Ankündigungen sabotiert auch die neue Bundesregierung die doppelte Staatsangehörigkeit.

Doppelte Staatsbürgerschaft? Ja. Aber nur unter ganz bestimmten Bedingungen! So sieht es ein Gesetzentwurf vor, mit dem der christdemokratische Bundesinnenminister Thomas de Maizière die Vereinbarungen des schwarz-roten Koalitionsvertrags verwirklichen will. Demnach sollen gebürtige Deutsche, deren Eltern eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen, entweder mit einer deutschen Meldebescheinigung belegen, dass sie mindestens zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben, oder einen deutschen Schulabschluss vorweisen. Bis zur Osterpause soll die Neuregelung verabschiedet werden.

Das derzeit geltende Optionsmodell gehört zur rot-grünen Reform des Staatsbürgerschaftsrechts aus dem Jahre 2000, mit der das völkische Abstammungsprinzip, das »ius sanguinis« aus der Kaiserzeit, durch das Geburtsortprinzip, das »ius soli« ergänzt wurde. Unter der Voraussetzung, dass mindestens ein Elternteil seit acht Jahren in Deutschland gelebt und zum Zeitpunkt der Geburt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besessen hat, erhalten seitdem Kinder von Einwanderern grundsätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Außerdem können zwischen 1990 und 1999 in Deutschland geborene Menschen mit Migrationshintergrund zusätzlich zu ihrem ausländischen Pass einen deutschen beantragen.
Allerdings gibt es einen Haken. SPD und Grüne gaben damals dem Druck der unionsregierten Länder nach, die durchsetzen konnten, dass sich die Betroffenen zwischen dem 18. und dem 23. Geburtstag für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen: für die deutsche oder die ihrer Eltern. Legen sie sich nicht fest, geht der deutsche Pass automatisch verloren. Betroffen sind vor allem Deutschtürken. Bürger anderer EU-Staaten, der Schweiz und der USA dürfen zwei Pässe behalten. Im vergangenen Jahr lief für die ersten »Optionskinder« die Frist für die Entscheidung ab. 248 dieser jungen Deutschen wurden ausgebürgert, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Frage von Sevim Dağdelen, der migrationspolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linkspartei, hervorgeht.

Im Bundestagswahlkampf hatte sich neben der Linkspartei und den Grünen auch die SPD vehement für den Wegfall des Optionszwangs eingesetzt. Dies hatte in den Koalitionsverhandlungen zu großen Konflikten zwischen Union und Sozialdemokraten geführt. »Ich werde der SPD keinen Koalitionsvertrag vorlegen, in dem die doppelte Staatsbürgerschaft nicht drin ist«, hatte der Vorsitzende Sigmar Gabriel auf dem Leipziger SPD-Parteitag Mitte November vollmundig versprochen. Es kam anders. Die Sozialdemokraten verständigten sich mit CDU und CSU auf einen fragwürdigen Kompromiss. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: »Für in Deutschland gebo­rene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert. Im Übrigen bleibt es beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht.«
Damit müssen nicht nur Menschen, die sich einbürgern lassen wollen, weiterhin den Pass ihres Herkunftslandes aufgeben. Der Optionszwang soll nicht einmal für alle gebürtigen Deutschen abgeschafft werden. Während ein Kind deutscher Eltern nur in den USA geboren sein muss, um dauerhaft beide Staatsangehörigkeiten innezuhaben, soll für Kinder ausländischer Eltern die Geburt in Deutschland auch weiterhin nicht automatisch für den sogenannten Doppelpass ausreichen.
Bei der Opposition stießen de Maizières Pläne auf Ablehnung. »Eine nur teilweise Abschaffung der Optionspflicht ist integrationspolitisch verfehlt und gebiert ein neues Bürokratiemonster«, sagte der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck. »Die Optionspflicht muss schleunigst und vollständig abgeschafft werden«, forderte Sevim Dağdelen. »Die Verweigerung der doppelten Staatsangehörigkeit macht hier dauerhaft lebende Menschen zu Bürgern zweiter Klasse«, empörte sich die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion.