Die Reaktionen der Grünen und der Linkspartei

Frieden mit dem Krieg geschlossen?

Über die Reaktionen der Grünen und der Linkspartei auf die »Wir sind wieder wer«-Rede bei der Sicherheitskonferenz.

Auf Hans-Christian Ströbele ist Verlass. Er sei »sehr enttäuscht von Herrn Gauck«, kommentierte er den Auftritt des Bundespräsidenten bei der Münchner Sicherheitskonferenz. »Er kommt aus der Bürgerbewegung der DDR, und von denen habe ich immer gelernt: Macht Schwerter zu Pflugscharen«, sagte Ströbele. Davon sei bei Gauck jetzt keine Rede mehr, im Gegenteil: »Wir hören jetzt, dass wir ganz offensichtlich die Bundeswehr einsetzen sollen, zur Durchsetzung unserer wirtschaftlichen und Handelsinteressen rund um die Welt«, kritisierte er in einer Fernsehsendung. Er halte das für »tatsächlich gefährlich«. In Zukunft werde die Parole sein: »Wir sind immer dabei, und zwar auch mit Militär.«
Mit seiner harschen Bewertung steht Ströbele in seiner Partei allerdings ziemlich allein. Schließlich war der konservative Gauck der Wunschkandidat der Grünen für das Amt des Bundespräsidenten, was die Lust zur Kritik an ihm in der Partei reduziert. Außerdem ist »Schwerter zu Pflugscharen« längst keine Parole der Grünen mehr. Die einstigen Ökopaxe haben ihren Frieden mit dem Krieg geschlossen. Allerdings sprechen ihre führenden Funktionäre lieber wie das Staatsoberhaupt von »Übernahme von Verantwortung«. In den umständlichen Worten des Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir klingt die Verteidigung Gaucks dann so: »Es geht hier nicht um eine Großmannssucht, (...) sondern (darum), dass ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland, (…) das wirtschaftlich mächtigste Land in der Europäischen Union, auch eine Verantwortung hat (…) nicht nur für sich selber, sondern auch für Demokratie, für Menschenrechte in der Welt.«

Gaucks Amtsvorgänger Horst Köhler dürfte sich die Augen reiben. Als er im Mai 2010 bekundet hatte, dass »im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig« sei, »um unsere Interessen zu wahren«, klangen die Grünen noch ganz anders. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk sagte Özdemir weiter, ihn ärgere »die pauschale Kritik der Linkspartei an den Äußerungen des Bundespräsidenten«, deren Haltung habe »nichts mit progressiv oder linker Politik zu tun, sondern das ist eine linksnationalistische Position«. Die Linkspartei solle sich nicht hinter progressiver Rhetorik verstecken, sondern offen sagen, »worum es geht: dass einem der Rest der Welt egal ist«, so Özdemir.
Die Reaktion der Linkspartei folgte umgehend. Die Grünen müssten sich entscheiden, »ob sie die Bellizistenfront anführen« oder »noch irgendetwas mit einer ihrer Wurzeln, der Friedensbewegung, zu tun haben wollen«, kommentierte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Gehrcke, die Äußerungen Özdemirs. Wie lange die Linkspartei noch bei ihrer strikten Ablehnung deutscher Militäreinsätze im Ausland bleiben wird, ist ungewiss. Wie einst bei den Grünen wird auch für sie die Aufgabe ihrer friedensbewegten Positionen Bedingung für das angestrebte Entrée in die Bundesregierung sein. Derzeit kann es sich die Partei jedoch noch strömungsübergreifend leisten, die fortschreitende Militarisierung der deutschen Außenpolitik entschieden zu geißeln.
Nach Gaucks Rede jagte eine empörte Stellungnahme die nächste. »Offenbar wird bereits seit Wochen an der Umsetzung des neuen Projekts von Gauck, Steinmeier und von der Leyen für mehr Bundeswehr in Afrika gearbeitet, ohne dass der Bundestag mit einbezogen wird«, kritisierte Stefan Liebich, Obmann der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss, gewohnt moderat. Der Linkspartei-Vorsitzende Bernd Riexinger wurde schon deutlicher: »Wer die militärische Zurückhaltung aufgibt, kündigt den Gründungskonsens der Bundesrepublik. Diese neue deutsche Breitbeinigkeit« sei unerträglich. Als einen »präsidialen Griff in die Mottenkiste« bezeichnete die Co-Vorsitzende Katja Kipping die Äußerungen Gaucks. Von einer »Kriegsgewöhnungs-Kampagne« sprach Christine Buchholz, die verteidigungspolitische Sprecherin der Linksfraktion. Ihre Bundestagskollegin Inge Höger fühlte sich von Gaucks Worten gar »in fataler Weise an das Trommeln des Deutschen Kaisers Wilhelm II. am Vorabend des Ersten Weltkrieges« erinnert. Nun ja.