Lokalmedienkampagne gegen das Peter-Weiss-Haus in Rostock

Im Würgegriff der Lokalpresse

Eine Polizistin soll als Partygast unter Gewaltanwendung aus dem Peter-Weiss-Haus in Rostock geworfen worden sein. Doch mittlerweile entpuppt sich der von einer Lokalzeitung zum Skandal gemachte Vorfall immer deutlicher als Schmutzkampagne gegen das freie Kulturzentrum.

»Eklat in Rostock: Ordner attackierten Polizistin (26) im Peter-Weiss-Haus«. Diese Schlagzeile war in der vergangenen Woche auf dem Titelblatt der Ostseezeitung (OZ) zu lesen. Auf der Fünf-Jahres-Feier des freien Kultur- und Bildungszentrums soll eine privat anwesende junge Beamtin vom Sicherheitspersonal gewürgt und des Hauses verwiesen worden sein, nachdem sie ihren Beruf genannt hatte. Von CDU und OZ über eine Nazi-Website bis hin zur Jungen Freiheit und zum Internetportal »Politically Incorrect« überschlugen sich Parteien und Medien mit bemerkenswert gleichlautenden Skandalmeldungen.

Allerdings gibt es erhebliche Zweifel an deren Wahrheitsgehalt. Die Verantwortlichen des Peter-Weiss-Hauses (PWH) gehen nach Gesprächen mit den Betroffenen davon aus, »dass es nicht der Wahrheit entspricht, dass die Polizistin gewaltsam angegriffen oder, wie in der OZ berichtet, ›in einen Würgegriff‹ genommen wurde«, schreiben sie in einer Pressemitteilung. Sie und Beobachter vermuten hinter dem vermeintlichen Skandal eine Kampagne der CDU. Der Kreisvorsitzende der Partei, Detlev Göllner, hat sich besonders lautstark geäußert. »Unerträglich« finde er es, dass staatliche Zuwendungen an das Haus flössen. Zudem verdächtigte er das PWH sogar, mit öffentlichen Geldern »günstige Getränkepreise« querzufinanzieren. Belege lieferte er keine. Für eine Anfrage war er nicht zu erreichen.
Die OZ berichtete, »mehr als 340 000 Euro« seien an das Kulturzentrum geflossen. Der Trägerverein des Hauses, der sich um Kauf, Sanierung und Betrieb kümmert, hat nach eigenen Angaben jedoch nur einmalig 3 000 Euro vom Denkmalamt bezogen, und das angesichts von Sanierungskosten von 1,5 Millionen Euro. Die Genossenschaft Subraum, die sich um den kommerziellen Veranstaltungsbetrieb kümmert und Teile der Sanierung übernimmt, erhielt vom Landesförderinstitut 92 000 Euro. Die restlichen Summen, von denen die OZ berichtete, sind Fördermittel für Vereine, die Mieter des Hauses sind. Darunter sind der Verein Soziale Bildung, der Jugend- und Schulsozialarbeit sowie politische Erwachsenenbildung im ganzen Bundesland leistet, und das Rostocker Literaturhaus. Beide bekommen Geld von Stadt oder Land. Mit dem Betrieb des Hauses hat dieses Geld nichts zu tun.
Der Redaktion der OZ war dies offensichtlich gleichgültig. Durch die tendenziöse Darstellung wurde der Eindruck erweckt, in einer durch Steuergelder finanzierten Einrichtung seien Repräsentanten des Staates nicht erwünscht. Der Skandal schien perfekt zu sein. Doch außer der OZ konnte sich kein Medium richtig für die Berichterstattung in der Sache begeistern, und schon gar nicht in derselben Ausführlichkeit.

Auch mit den Zitaten verschiedener Stadtvertreter scheint die OZ überaus willkürlich umgegangen zu sein. Susan Schulz (Grüne) und Eva-Maria Kröger (Linkspartei) kritisieren mittlerweile, dass sie verkürzt und zum Teil sinnentstellend zitiert worden seien. So sagte Schulz ihren Angaben zufolge nicht, sie höre »nicht zum ersten Mal von so einer Geschichte«, sondern sie halte entsprechende Gerüchte auch nur für solche.
Aber auch was die tatsächlichen Umstände des Rausschmisses der Polizistin angeht, gibt es Ungereimtheiten. Die Beamtin wurde zwar tatsächlich des Hauses verwiesen, jedoch offenbar nicht gewaltsam. Die Verantwortlichen des PWH konnten mit einer am betreffenden Abend ebenfalls anwesenden Freundin der Beamtin sprechen. Sie bestätigte, dass die Polizistin nicht von Sicherheitsleuten angegriffen worden sei. Vielmehr verhielt es sich ihr zufolge so: Als sie der Beamtin in der Diskussion mit den Sicherheitsleuten zu Hilfe kommen wollte, ergab ein Wort das andere. Die Situation schaukelte sich auf, am Ende wurde die Freundin der Polizistin gegen eine Wand gedrückt, allerdings nicht im »Würgegriff«. Die beiden Frauen bestreiten zudem, sich an die OZ gewandt zu haben. Dass die Beamtin auch keine 26 Jahre alt ist, fällt angesichts der vielen Ungereimtheiten kaum noch ins Gewicht.
Die Zeitung berichtet nicht zum ersten Mal äußerst negativ über das Haus. Die Spiele der Fußball-WM 2010 wurden im Freigarten des PWH live gezeigt. Nationalfahnen waren dort nicht erwünscht. Die OZ schrieb damals, ein Kind mit »Schwarz-Rot-Gold« auf den Wangen sei deshalb des Freigartens verwiesen worden. »Das war schon damals völliger Unsinn«, sagt Maximilian Schneider vom PWH im Rückblick dazu. »Das ist nicht unsere Linie bei Nationalfarben. Wir sprechen die Menschen darauf an, mehr nicht. Den Vorfall hat es nicht gegeben.«

Der neue Feldzug der OZ hat für zahlreiche Reaktionen gesorgt. Das der NPD in Mecklenburg-Vorpommern nahestehende Internetportal Mupinfo begleitet die Schlammschlacht ebenso wie die Junge Freiheit und »Politically Incorrect«. Alle bedienen sich großzügig aus der fragwürdigen Vorlage der OZ. »Seit den Artikeln bekommen wir einen Haufen unappetitlicher Mails. ›Linke Wichser, dreckiges Pack, vollgeschissener Pöbel, euch sollte man die Eier abschneiden‹, sowas«, sagt Schneider. Unter den Kommentierenden befinden sich ihm zufolge offenbar auch Anhänger der Alternative für Deutschland. Die Rostocker CDU fordert schon die Einstellung aller Förderungen – Hand in Hand mit der NPD. »Irgendwas wird hängen bleiben«, schätzt Schneider die Auswirkungen der Schmutzkampagne ein.