Verhandlungen mit den Taliban in Pakistan

Verhandlungen mit Hindernissen

Die Regierung in Pakistan führt Gespräche mit den Taliban des Landes, die eine einmonatige Waffenruhe ausgerufen haben.

In Pakistan mangelt es nicht an Konflikten und Terrorgruppen, teils sind jene ethnisch, teils religiös bedingt, oft beides zugleich. Die Ursachen hierfür bestehen nicht erst seit 2001, doch die Lage hat sich seitdem verschärft. Nun verhandelt die Regierung mit der Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), jenem heterogenen Zusammenschluss von rund 30 Islamistengruppen, die in den mehrheitlich paschtunischen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan, in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, aber auch landesweit aktiv sind.

Eine erste Verhandlungsrunde im Februar scheiterte nach der Veröffentlichung eines Videos der Taliban, das 23 ermordete pakistanische Grenzsoldaten zeigte. Die Luftwaffe bombardierte daraufhin Stellungen der TTP und die Armee ließ erstmals seit 2007 große Truppenverbände an der Grenze zum Stammesdistrikt Nordwaziristan aufmarschieren. Mindestens 120 Menschen sollen getötet worden sein, über 40 000 Menschen flohen aus der Region. Die TTP rief Anfang März eine einmonatige Waffenruhe aus und erneuerte ihr Gesprächsangebot, woraufhin die Regierung die Armee anwies, die Angriffe einzustellen. Am Mittwoch vergangener Woche trafen sich die zwei Verhandlungsgruppen im religiösen Seminar des TTP-Chefunterhändlers, Sami ul-Haq, und berieten das weitere Vorgehen. Kritisch verfolgt werden die Verhandlungen von Teilen der Opposition, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Anhängern sunnitischer Sufi-Orden sowie religiösen Minderheiten, die häufig Ziel von Terroranschlägen waren. In den vergangenen Wochen gab es wiederholt Demonstrationen gegen jegliche Gespräche mit der TTP. Insbesondere in der Wirtschaftsmetropole Karachi kam es dabei zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen vermeintliche Unterstützer der Taliban, wobei paschtunische Binnenmigranten oft unter Generalverdacht stehen. Der seit Jahren schwelende Konflikt wird von rivalisierenden Parteien und mafiösen Gruppen instrumentalisiert.

Viele der Millionen von Binnenflüchtlingen der vergangenen Jahre versucht in Karachi zu über­leben und geraten dabei zwischen die Fronten. Gleichzeitig bilden sich lokale Taliban-Gangs, die weniger aus ideologischen denn aus propagandistischen Zwecken das Wort Taliban im Namen führen, sich mit Schutzgelderpressung, Entführungen, Auftragsmorden, Drogenhandel und Schmuggel ihr Einkommen sichern, aber auch Verwaltungs- und Ordnungsfunktionen in ihren Gebieten wahrnehmen. Sie sollen inzwischen bis zu 30 Prozent Karachis kontrollieren.

Überdies bieten sich Rückzugsräume für islamistische Terroristen, die aus dieser Deckung agieren und so zum Beispiel Journalisten drangsalieren. Jüngstes Opfer ist die Express Media Group, deren Zeitung Express Tribune unbequeme Themen aufgriff. Ende Februar erlegte sie sich nach Drohungen und Mordanschlägen durch die TTP eine Selbstzensur auf. Fortan wird Chefredakteur Kamal Siddiqi zufolge »nichts gegen die TTP oder ihre Positionen« sowie »kein Kommentar, kein Cartoon zu Terrorismus, Militanz, dem Militär, militärischen Operationen, Terrorattacken« mehr veröffentlicht.

Fast wären die Friedensgespräche erneut geplatzt, denn zwei Tage vor ihrem geplanten Beginn attackierten Terroristen in Islamabad ein Gerichtsgebäude. Elf Menschen starben, darunter ein Richter und mehrere Anwälte, mehr als 30 Menschen wurden verletzt. Die TTP bestritt umgehend eine Beteiligung. Stattdessen bekannte sich die im Februar gegründete TTP-Abspaltung Ahrar-ul-Hind dazu, die die Friedensvorverhandlungen ablehnt. Es war der erste Selbstmordanschlag in der Hauptstadt seit dem Angriff auf das Hotel Mariott im Jahr 2008.

Die Regierung scheint gewillt, den Unschuldsbeteuerungen der TTP zu glauben. Nach dem Treffen kündigte sie die Einsetzung einer neuen Delegation an, die fortan mit mehr Vollmachten ausgestattet werden könnte. Sie soll aus Vertretern der Zentralregierung unter Führung des Innenministers Nisar Ali Khan, der Provinzregierung Khyber Pakhtunkhwas sowie der Armee und des Militärgeheimdienstes ISI bestehen. Die TTP machte im Gegenzug weitere Zugeständnisse: Noch im Februar forderte die TTP die Abschaffung der Verfassung und die alleinige Herrschaft der Sharia, nun beharrte ul-Haq nicht auf einer Veränderung des demokratischen Systems der Islamischen Republik Pakistan und äußerte den Wunsch nach einem Treffen seines Taliban-Komitees mit Premierminister Nawaz Sharif. Gleichzeitig warnte er, dass ein Scheitern der Friedensgespräche den Interessen Indiens, Afghanistans und der USA nutzen würde.

De facto scheinen die USA jedoch dem Ersuchen der pakistanischen Regierung nach einem Ende der Drohnenangriffe nachzukommen und durchaus ein Interesse an einer Befriedung zu haben. Seit Weihnachten 2013 gab es keine Angriffe auf pakistanischem Gebiet mehr, noch im November starb TTP-Anführer Hakimullah Mehsud durch Raketenbeschuss. Ende Februar beendeten die Kader der Partei Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit (PTI) des ehemaligen Cricketstars und vehementen Drohnenkriegsgegners Imran Khan ihre dreimonatige Blockade der Nato-Transporte auf dem Landweg durch Pakistan.

Fraglich erscheint, ob das pakistanische Militär auf Dauer mitspielen wird. Im Gegensatz zu den afghanischen Taliban, mit denen die TTP kooperiert, die sich in innerpakistanische Angelegenheiten aber nicht einmischen und sogar vom ISI heimlich unterstützt werden sollen, da die afghanische Regierung Indien gegenüber eher freundlich ist, hat die TTP keinen strategischen Nutzen. Am Freitag vergangener Woche beharrte der Generalstab darauf, dass man auch zukünftig bei Attacken auf das Militär umgehend reagieren würde.