Das Verhältnis zwischen den USA und Saudi-Arabien

Angst vor dem Lächeln

Der Rückzug der USA aus dem Nahen Osten belastet das Verhältnis zu Saudi-Arabien. Mit seinen sunnitischen Verbündeten ist es gegenüber dem vom Iran angeführten schiitischen Lager ins Hintertreffen geraten. Die Saudis hoffen nun auf Barack Obamas Besuch in Riad.

Wenn man Freunde besucht, bringt man ein Geschenk mit. Gab es zuvor Unstimmigkeiten, darf es auch ein Geschenk sein, das schon lange auf der Wunschliste der Gastgeber stand. Die Saudis haben dem Vernehmen nach ihr Gastgeschenk für den anstehenden Kurzbesuch des US-Präsidenten in Riad bereits vorab zugesichert bekommen: modernes militärisches Fluggerät, vor allem aber mit Raketen bestückte Drohnen, derzeit die Traumwaffe aller Militärs. Demnächst kann Saudi-Arabien also die Kämpfer von al-Qaida auf der arabischen Halbinsel (AQAP), die im Jemen sitzen, vom Computer aus in die Luft sprengen. Außerdem hat der Iran Drohnen, also braucht Saudi-Arabien unbedingt auch welche, so die Logik der Macht. Vergangenes Jahr lehnte Barack Obama dies noch ab. Da mussten die beleidigten Saudis in Südafrika nach dem gewünschten Waffensystem fragen. Dass ihnen Obama nun ihren Wunsch erfüllt, zeigt, wie sehr Gastgeber und Gast bemüht sind, über das Verhältnis zwischen den USA und seinem traditionellen Verbündeten am Golf endlich wieder einmal etwas Positives verlautbaren zu können.

Denn verstanden hat man sich zuletzt immer weniger, das gilt für die fehlende Unterstützung des Aufstandes in Syrien durch die USA wie für Barack Obamas werbendes Zugehen auf den Iran. Unter Obama haben die USA angefangen, sich aus dem Nahen Osten zurückzuziehen, und die Monarchien am Golf haben Angst, zugunsten eines für Obama nützlichen »historischen« Handschlags zwischen den USA und der Islamischen Republik Iran im Stich gelassen zu werden. Im regionalen Machtkampf sind die Saudis in eine deutlich defensive Position gegenüber dem Iran und seinen Verbündeten geraten. Mittlerweile haben sie jedoch begonnen, Konsequenzen zu ziehen, und verändern ihren politischen Stil. Während die Prinzen und Scheichs vorher nur dezent und am liebsten mit dem Scheckbuch Politik betrieben haben, poltern sie nun auch schon einmal öffentlich los. Etwa im Herbst 2013, als Saudi-Arabien wegen der Tatenlosigkeit der UN in Bezug auf Syrien seinen temporären Sitz im Sicherheitsrat demonstrativ ausschlug. Im Dezember vorigen Jahres klagte ein Prinz aus der Führungsriege des Königshauses in einem Interview, Obama verhandele »hinter dem Rücken« Saudi-Arabiens mit dem Iran. Das Unvermögen der USA und der UN, dem Morden in Syrien Einhalt zu gebieten, bezeichnete der ehemalige Geheimdienstchef Prinz Turki bin Faisal al-Saud als »nahe an krimineller Nachlässigkeit«.
Obama konterte staatsmännisch in zwei Interviews, eine zentrale Rolle spielte dabei seine Lieblingsvokabel change: Die ganze Region durchlebe einen schnellen und unaufhaltsamen Wandel, sagte er im Januar. Das alte Gleichgewicht sei nicht mehr länger haltbar. Und Wandel an sich könne einem manchmal etwas Angst machen. Die naheliegende Frage, was das konkret und politisch bedeutet, beantwortete Obama in einem weiteren Interview Anfang März damit, dass das Verhalten des Iran letztlich strategisch ausgerichtet und berechenbar sei. Das iranische Regime habe benennbare Interessen, reagiere keineswegs impulsiv und orientiere sich an Kosten-Nutzen-Rechnungen – für Saudi-Arabien wie Israel eine so beunruhigende wie nebulöse Antwort.
Damit bezog sich Obama keineswegs nur auf das von dem immerfort lächelnden iranischen Präsidenten Hassan Rohani vertretene neue Image des Iran. Das eigentlich Bemerkenswerte an dieser Äußerung war, dass Obamas Loblied auf den Iran eben auch die Politik der Hardliner und eigentlichen Machtinhaber umfasst. Die Kreise um den »Revolutionsführer« Ali Khamenei und die Revolutionsgarden sind es schließlich, die angeblich rationale Kosten-Nutzen-Rechnungen anstellen, wenn sie irgendwo mit ihren speziell für den Auslandseinsatz geschulten Al-Quds-Brigaden meist verdeckt eingreifen. Neben der massiven militärischen Intervention in Syrien liefert der Iran Waffen und sonstige Hilfsmittel zur Desta­bilisierung in die ganze Region. So hat eine iranische Investition die schiitischen Houthis im ­Jemen erfolgreich in eine Art Hizbollah verwandelt, die sich als einzige aufsteigende Macht in dem zerfallenden Staat erweist. Wobei das von den Houthis kontrollierte Gebiet auch noch direkt an Saudi-Arabien grenzt. Derweil besucht Präsident Rohani bei seinem ersten Staatsbesuch in einem arabischen Land den Oman, einen anderen saudischen Nachbarn, unterschreibt Wirtschaftsverträge und preist die gute Nachbarschaft. Der Oman wiederum hat im Dezember den saudischen Plänen, den Golf-Kooperationsrat in einen festeren Staatenbund zu verwandeln, eine klare Absage erteilt.

Obamas im Interview geäußertes Lob für die iranische Führung stand im Kontext der Frage nach dem schiitisch-sunnitischen Antagonismus in der Region, und hier wird es wirklich schmerzhaft für die Saudis. Denn so ganz Unrecht hat Obama nicht: Das schiitische Lager unter Führung des Iran handelt immerhin zentral gelenkt, staatlich orientiert und planvoll. Der Iran hat großen Einfluss auf die Regierung des Irak, kontrolliert über die Hizbollah den Libanon und regiert im Reststaat von Syrien mit. Die sunnitische Seite, als deren Führungsmacht sich Saudi-Arabien gerne sehen würde, ist dagegen zersplittert und ineffektiv. Mit den auch noch untereinander konkurrierenden sunnitischen Islamistengruppen ist im Wortsinn kein Staat zu machen. Ob in Syrien, im sunnitischen Dreieck des Irak, im Libanon oder im Jemen, die diversen sunnitischen Gruppen neigen zu destruktivem Verhalten und können im Zweifel ihre untereinander zerstrittenen Geldgeber – Katar, Kuwait, Saudi-Arabien – gegeneinander ausspielen. Und der Großteil der islamistischen Gruppen ist obendrein eine Bedrohung für die Golfmonarchien selbst. Da diese aus Gründen des Selbsterhalts schon gar nicht auf Jugend, Reformen und eine Öffnung der Gesellschaft setzen können und daher den »arabischen Frühling« nur als Bedrohung wahrnehmen, ist ein Führertypus wie der ägyptische General Abd al-Fattah al-Sisi als Verbündeter schon fast ein Glücksfall für die Saudis. In Obamas Reden über die »berechenbare« iranische Führung steckt so auch eine treffende Kritik an der tatsächlich weithin desorganisierten und wenig zukunftsträchtigen sunnitischen oder arabischen Gegenseite.

Womöglich wird das kurze Beisammensein Obamas mit der saudischen Führungsriege in Riad aber doch nicht so unharmonisch ausfallen. Denn tatsächlich sind die beiden Länder, Rohanis Lächeln hin oder her, weiterhin aufeinander angewiesen. Und die Saudis haben reagiert: Ein saudisches Dekret hat nicht nur die Muslimbrüder und die Houthis zu Terrororganisationen erklärt, sondern auch die syrischen Islamistenfraktionen ISIS und al-Nusra. Für saudische Staatsbürger ist in Zukunft jeder Einsatz als freiwilliger Kämpfer irgendwo im Ausland verboten. Zugleich hat die saudische Führung in den vergangenen Monaten versucht, im Süden Syriens mit einer »moderaten islamischen Front« eine überschaubare und einigermaßen organisierte bewaffnete Gruppe zu installieren. Auch der Eklat um den Abzug der Botschafter Saudi-Arabiens, Bahrains und der Emirate aus dem katarischen Doha war berechnet. Der Druck auf Katar, seine eigensinnige Außenpolitik doch besser sein zu lassen und die Muslimbrüder und diverse islamistische Gruppen in Syrien nicht weiter zu unterstützen, wird zwar nicht kurzfristig zum Ziel führen, aber auch so hat Saudi-Arabien ein Zeichen gesetzt: Bis hierhin und nicht weiter. Man wird sich aber noch einiges einfallen lassen müssen, bevor Rohanis Lächeln erstirbt.