Jan Delay im Gespräch über sein neues Album »Hammer & Michel«

»Wir wollten den Antifaschisten helfen, Flagge zu zeigen«

Nach HipHop, Funk und Soul erforscht Jan Delay auf seinem jüngsten Album ein weiteres Genre: Rock. »Hammer & Michel« ­erinnert zuweilen an Udo Lindenberg, dessen Gitarristen sich der näselnde Hamburger Rapper ausgeborgt hat. Ein Gespräch mit Jan Delay alias Jan Phillip Eißfeldt in Hamburg.

Ihr Album »Hammer & Michel« ist eine Liebeserklärung an die Stadt Hamburg und an den wahrhaftigen Rock. Ist Hamburg eine Rock-City?
Hamburg ist alles andere als eine Rock-City, vielmehr eine Cool-City. Meine Leute aus Hamburg und die ganzen Bands, für die diese Stadt in den neunziger Jahren berühmt war, hassten und verteufelten den Begriff »Rock«, obwohl sie alle selber Gitarrenmusik machten.
Gehörten Sie selbst zum Kreis der Rock-Verächter?
Natürlich. Alles, was ich immer an Rock gehasst habe, findet auf meiner Platte auch nicht statt. Bon Jovi, Bryan Adams und Fury in the Slaughterhouse sind für mich immer noch der Teufel. Wenn es um das ganze negativ behaftete Gitarren-Poser-Ding geht, fallen mir sofort die Scorpions ein. Aber am Ende des Tages muss ich sagen, dass sie mindestens für zwei großartige Lieder stehen: »Still Loving You« und »Hurricane«. Den Song »Wacken« habe ich übrigens aus dem Anlass gemacht, endlich mal nach Wacken eingeladen zu werden. Noch nie sah ich ein Festival mit so lieben Menschen. Früher machte ich immer Gags über diese Musikrichtung, heute kann ich sagen, dass es einfach geil ist. Ich bin toleranter geworden und habe mehr Liebe zu verteilen.
Zum Beispiel Liebe für »Neuland« und für »Neurosen«, wie es in einem Lied heißt. Welches sind denn Ihre Neurosen?
Ich kann in öffentlichen Gebäuden keine Türklinken anfassen. Das ist schon Monk-mäßig und eine 1-A-Neurose. Sie wird wahrscheinlich immer schlimmer. Irgendwann laufe ich mit so einem Mundschutz rum wie die Asiaten. Wenn mein Koproduzent Kasper jetzt hier wäre, könnte er wahrscheinlich zehn weitere Neurosen aufzählen, die ich im Studio an den Tag lege.
Vom Rapper zum Rocksänger – wie meistern Sie diesen Spagat?
Ich finde es spannend, einen Rocksong so zu singen wie eine Reggae-Nummer. In meinem Gesang ist ein ganz anderes Gefühl drin als in »Schreihalsmusik«. Aber eigentlich kann ich gar nicht singen, ich komme ja vom HipHop und habe immer drauflosgerappt.
Welche deutschen Rockbands finden Sie cool?
Denke ich an Rock aus Deutschland, der mir Spaß macht, dann fallen mir sofort die Beatsteaks ein. Ich wollte keinen Sauf-Rock machen, sondern Musik mit intelligenten Texten, zu der Mädchen tanzen wollen. Auf der Haltungsebene konnte ich von Hamburger Bands wie den Goldenen Zitronen lernen. Die haben damals viel für die Absoluten Beginner getan. Unsere erste Tour ging durch den Osten unter dem Motto »Etwas Besseres als die Nation« – zusammen mit den Goldenen Zitronen, Blumfeld und Cpt. Kirk &. Wir wollten den Antifaschisten in ihren kleinen gallischen Dörfern helfen, Flagge zu zeigen, die umringt waren von Nazi-Arschlöchern. Diese Haltung ist bis heute geblieben.
Ihr Song »Kopfkino« ist ein Plädoyer gegen das Grübeln und für die Gefühle.
Ich könnte mir das Leben wesentlich einfacher machen, wenn ich nicht immer alles hinterfragen und mich mal locker machen würde. Ich kann alles totgrübeln. Früher, als ich noch politisch aktiver war und Aktionen in den Antifa-Kreisen machen wollte, ist das oft daran gescheitert, dass alles totdiskutiert wurde. Auf der anderen Seite waren die Nazis viel eher zu Aktionen imstande. Ich würde gern mal das Kopfkino runterbrennen und die Gedanken raus zum Spielen schicken.
Warum konnten Sie es sich nicht verkneifen, in einem Song Uli Hoeneß zu erwähnen?
Weil ich mir heute selber eingestehen kann, dass Uli Hoeneß ein cooler Typ ist. Scheiß auf CSU und Wurstfabrik. Der Song über ihn ist zwar vor der Steueraffäre entstanden, aber ich habe immer noch Liebe für ihn. Mir doch egal, ob er Steuern hinterzieht.
Rock ist nicht gleich Rock. Welchen Soundcharakter haben Sie dem Album gegeben?
Für diese Platte brauchte ich drei Jahre. Da ich großen Wert auf den Sound lege, musste ich mich unter anderem mit Amps auseinandersetzen. Marshall-Verstärker haben zum Beispiel einen Penis-Sound, das will ich nicht. Ich will lieber einen geilen Dicke-Titten-Sound! Und dafür steht die Marke Orange. Auf meiner Platte wird fast ausschließlich über diese Verstärker gespielt.
Sie hätten »Hammer & Michel« auch in Los Angeles mit einem berühmten Rockproduzenten machen können. Was sprach dagegen?
Wir sind einfach schon zu lange dabei. Schon damals sind viele HipHopper rübergeflogen, weil sie den fetten geilen Mastering-Sound haben oder ihre Beats in den D&D-Studios mischen lassen wollten. Aber sie kamen immer mit ganz armseligen Resultaten zurück. Für die Amis bist du nur irgendein Spast aus Deutschland und dann machen sie das mal eben schnell. Aus dieser Erfahrung heraus wollten wir das nicht machen, denn in so einem Kaufstudio tickt ständig die Uhr. Meine Neurose im Studio ist, dass ich stundenlang überlege. Und wenn die Uhr ständig tickt, bin ich nicht entspannt.
Wie bringen Sie die Rocksongs auf die Bühne?
Natürlich haben wir jetzt zwei Gitarristen, aber auf der Bühne stehe ich weiterhin mit der Disko No. 1. Mit Hilfe der Bläser werden wir die Riffs dicker machen. Trotz der Rocksongs bleibt es eine Disko No. 1-Show. Wir werden vielleicht sechs neue und ganz viel alte Titel spielen. Ich freue mich schon darauf, Medleys aus Rockhits machen zu können. Dafür sind zwei Gitarristen ideal.
Spielen Sie auf Ihrer Tour selbst Gitarre?
Das kann ich gar nicht. Ich mache lieber geile Songs, als meine Zeit darauf zu verschwenden, Gitarre zu lernen. Ich kenne die geilsten Gitarristen, was soll ich da selbst so rumkrüppeln. Posen kann ich zwar, aber selber spielen muss ich deshalb nicht.

Jan Delay: Hammer & Michel (Universal) erscheint am 11. April.