Irak vor den Parlamentswahlen

Im Auftrag Gottes

Vor den Parlamentswahlen droht eine weitere ­Konfessionalisierung des Irak.

Er kandidiere bei den irakischen Parlamentswahlen nur, behauptete Muwafaq Taha aus dem sunnitischen Dreieck auf einem seiner Wahlplakate, weil ein Bote Gottes ihm dies aufgetragen habe. Eine Kandidatin der schiitischen Konkurrenz verspricht, sollte sie gewinnen, Gratisbusfahrten in die heilige Stadt Kerbala für alle. Das sind nur zwei der Wahlplakate, über die weniger religiös gesinnte Irakis sich dieser Tage auf Facebook lustig machen. In der Tat sind einige der Kampagnen an Absurdität kaum zu überbieten. Da die irakische Verfassung für das Parlament eine Frauenquote von 25 Prozent vorschreibt, müssen auch die islamischsten Parteien mit Kandidatinnen aufwarten, die sich dann eben vollverschleiert ablichten oder gleich das Konterfei ihres Ehegatten auf das Wahlplakat drucken lassen.
Einig sind sich sunnitische und schiitische islamische Parteien, die ansonsten heillos zerstritten sind, in ihrer radikalen Ablehnung aller nichtreligiösen und überkonfessionellen Parteienbündnisse. So verkündete Ayatollah Kadhem al-Haeri, Mitglied der regierenden Da’wa-Partei von Ministerpräsident Nouri al-Maliki und mit dem Iran verbündet, in einer Fatwa, es sei verboten, säkulare Kandidaten zu wählen. Die haben es dieser Tage schwer im Irak, auch wenn etwa Iyad Allawi, der ehemalige Spitzenkandidat des Parteienbündnisses Iraqiyah, das bei den vorigen Wahlen die meisten Stimmen auf sich vereinigte, für eine strikte Trennung von Religion und Staat eintritt und zwei neue Parteienbündnisse sich als säkulare Alternative anbieten. Eines steht einflussreichen Unternehmern nahe, das andere ist ein Zusammenschluss linker Parteien.
Während die religiösen Parteien sich großzügiger Hilfe auch aus dem benachbarten Ausland erfreuen, stehen diese Oppostionellen weitgehend alleine da. Für die US-Regierung spielt der Irak bestenfalls noch eine sicherheitspolitische Rolle, sie stützt deshalb Malikis Regierung, da diese Stabilität und ein entschlossenes Vorgehen gegen al-Qaida verspricht. Dass man damit de facto dem Iran das Feld überlässt, scheint Präsident Barack Obama nicht zu stören oder gar ins strate­gische Kalkül einer Annäherung zu gehören. Die Frage ist deshalb nur, ob die State-of-Law-Koali­tion von Maliki genug Stimmen auf sich vereinigen kann, um die Regierung zu stellen, oder sich gezwungen sehen wird, eine größere Koalition zusammenzubringen. Die Menschen in großen Teilen der sunnitischen Provinz Anbar werden dagegen kaum an den Wahlen teilnehmen können, dort herrscht seit Monaten ein blutiger Krieg mit den Jihadisten vom »Islamischen Staat«. Im Irak starben in den vergangenen Monaten wieder so viele Menschen bei Anschlägen wie seit Jahren nicht mehr.
Wie die Wahl am 30. April auch ausgehen mag, ein Ende oder Rückgang der Gewalt ist nicht in Sicht. Gewinnt Maliki, wird er mit harter Hand und de facto diktatorischen Vollmachten regieren und die Konflikte im Irak weiter konfessionalisieren, während sich vor allem die irakischen Kurden, die mit seiner Regierung in einem Dauerzwist liegen, vermutlich noch stärker vom Zentralstaat abwenden werden. Sollte wider Erwarten eine dem Iran weniger wohlgesinnte ­Regierung zustande kommen, würde jener sofort alles unternehmen, um diese zu destabilisieren. Denn ohne die Zustimmung des Iran geht, seit die USA den Irak verlassen haben, in Bagdad nichts mehr.