Weniger Regeln für Wahlkampfspenden in den USA

Running with the Pac

Der Oberste Gerichtshof der USA hat die Regeln für Wahlkampfspenden gelockert. Das freut vor allem die Republikaner. Doch es gibt auch demokratische Großspender.

»Die Fluttore geöffnet« habe der Supreme Court, warnte der liberale Verfassungsrichter Stephen Breyer düster. In seiner Entscheidung »McCutcheon vs. Federal Election Comission« hat der Oberste Gerichtshof der USA Anfang April entschieden, bisher bestehende Einschränkungen zur Höhe von Wahlkampfspenden aufzuheben. Die Entscheidung fällt in den beginnenden Wahlkampf zu den im November stattfindenden Kongresswahlen, bei denen Republikaner und Demokraten um die Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus kämpfen. Es geht auch um die Frage, ob Präsident Barack Obama in Zukunft seine Vorhaben von einer demokratischen Mehrheit unterstützt verwirklichen kann oder für den Rest seiner Amtszeit wegen republikanischer Dominanz im Kongress zur »lahmen Ente« wird.
Bisher beinhaltete die Wahlkampfgesetzgebung in den USA neben der Verpflichtung zur Veröffentlichung der Spendernamen auch ein all­gemeines Limit für Wahlkampfspenden. Mehr als 48 600 Dollar an Kandidaten und 74 600 Dollar an eine oder mehrere Parteiplattformen pro Person in einem Zeitraum von zwei Jahren waren nicht erlaubt. Diese allgemeine Grenze von insgesamt 123 200 hob der Supreme Court Anfang April auf. Weiterhin gilt ein Limit von 2 600 Dollar pro Spende an einen einzelnen Kandidaten, doch diese Summe kann jetzt an beliebig viele Personen und Kommitees gespendet werden – eine Regelung, die nach Ansicht von Kritikern zur Umgehung der Begrenzung pro Person einlade.
Geklagt hatten Shaun McCutcheon, ein Unternehmer aus Alabama, und das Nationale Wahlkommitee der Republikaner. »Weniger Regierung, mehr Freiheit«, fasste der Konservative in einem Interview sein Anliegen zusammen. Für die »Freiheit«, mit Geld noch mehr politischen Einfluss nehmen zu können, entschieden sich fünf der neun Richter. Während die knappe Mehrheit der Konservativen weitgehend unbegrenzte Wahlkampfspenden als legitime Ausübung der Meinungsfreiheit betrachtet, betonte die liberale Minderheit vergeblich, dass die Begrenzung von Wahlkampfspenden Teil einer funktionierenden Demokratie sei.

»Es ist nicht Aufgabe der Regierung, das Spielfeld zu ebnen«, sagte der Oberste Richter John Roberts. Ein paar mehr »nervige Fernsehspots, die politische Gegner verunglimpfen«, müssten die Amerikaner ertragen. Die meisten Amerikaner sehen das offenbar anders. Über Parteigrenzen hinweg befürwortet eine deutliche Mehrheit von 80 Prozent die Begrenzung von Wahlkampfspenden. Und das konstant seit Jahren. Einer Umfrage von Gallup im vorigen Jahr zufolge befürworten 50 Prozent der Bevölkerung sogar ein Gesetz zur ausschließlich öffentlichen Finanzierung von Wahlkämpfen und ein Verbot von Spenden von Privatpersonen und politischen Gruppen.
Das Urteil setzt eine Reihe von Entscheidungen fort, mit denen der Supreme Court in den vergangenen Jahren die Regulierung der Wahlkampfspenden liberalisiert hat, seit der von George W. Bush ernannte konservative Richter John Roberts 2005 den Vorsitz übernahm. 2010 hatte der Supreme Court in »Citizens United vs. Federal Election Comission« entschieden, dass das Verbot von Spenden von Unternehmen und Gewerkschaften an unabhängige politische Gruppen verfassungswidrig sei. Citizens United ist eine konservative Lobbyorganisation, die unter anderem von zwei seit langem politisch aktiven Großspendern aus der Industrie unterstützt wird: den Brüdern Charles und David Koch. Die sind nicht nur Besitzer von Koch Industries, dem zweitgrößten nicht börsennotierten Unternehmen des Landes, sondern haben in den vergangenen Jahrzehnten auch ein ausgedehntes Netz von rechten Think Tanks und politischen Initiativen aufgebaut.

Weiterhin verboten sind direkte Spenden von Unternehmen an Kandidaten. Doch dieses Verbot zu umgehen, ist seit der Citizens-United-Entscheidung noch einfacher geworden. Unternehmer spenden entweder direkt an die Political Action Commitees (Pacs), also Lobbygruppen für die Wahlkampffinanzierung, die die Herkunft ihrer Spender offenlegen müssen, oder indirekt über NGOs, deren Spender anonym bleiben können. Das Urteil des Supreme Court nutzend, wurden seit 2010 sogenannte Super Pacs gegründet. Sie dürfen Spenden auch von Unternehmen und Gewerkschaften in unbegrenzter Höhe annehmen.
Seit dem Citizens-United-Urteil 2010 sind die Ausgaben von Super Pacs und anderen politischen NGOs immens gestiegen. Den Recherchen des Center for Responsive Politics zufolge lagen die Ausgaben solcher formal unabhängigen Organisationen bis 2008 im niedrigen zweistelligen Millionenbereich, 2012 waren sie auf eine Milliarde Dollar gestiegen. 93 Prozent der Spenden an die Super Pacs betragen 10 000 Dollar oder mehr, ein großer Teil davon kommt von Großspendern wie dem Casino-Mogul Sheldon Adelson aus Las Vegas.
Das jüngste Urteil des Supreme Court werde den Einfluss von Großspendern in der Politik weiter erhöhen, urteilen Kritiker. »Wo genug Geld im Spiel ist, wird der öffentliche Wille nicht mehr gehört«, sagte der liberale Richter Stephen Breyer. Unklar ist aber, ob das Urteil nicht auch dazu führt, dass ein Teil der gespendeten Gelder nicht mehr an Super Pacs, sondern direkt an Kandidaten und Parteiplattformen geht und deren Rolle stärkt. Wenn die Spenden weniger stark von Interessengruppen gebündelt und zum Einsatz gebracht werden, könne das Urteil unbeabsichtigterweise sogar helfen, die Abhängigkeit von Großspendern und Super Pacs zu reduzieren. Diese Hoffnung wurde vorsichtig vom linken Magazin Mother Jones geäußert.
Die Reduzierung des Einflusses von Großspendern war früher auch ein konservatives Anliegen. Es gebe »keinen schlimmeren und heimtückischeren Feind einer freien Regierung als die Korruption«, mahnte der republikanische Präsident Theodore Roosevelt 1905. Er forderte ein Verbot von Wahlkampfspenden von Unternehmen. In den folgenden Jahrzehnten schränkten Gesetze die Einflussnahme von Großspendern ein, der Federal Election Campaign Act von 1971 etablierte mit der Federal Election Comission eine Behörde, die Wahlkämpfe öffentlich finanziert und reguliert. Doch wegen der fortschreitenden Aushöhlung von Spendenlimits sei die Regulierung immer weniger effektiv, so Kritiker.

Weniger forsch als Theodore Roosevelt hat sich Obama in der Vergangenheit gezeigt. »Amerikas Wahlen sollten nicht von dessen mächtigsten Interessensgruppen finanziert werden«, forderte der Präsident 2010, zeigte aber wenig Reform­eifer bei der Wahlkampffinanzierung. Weil er im Grunde daran kein Interesse habe, urteilten die Yale-Professoren Bruce Ackerman und Ian Ayres kürzlich in einem Gastbeitrag für das Online-Magazin Slate. 2008 sei Obama der erste Präsident gewesen, der seinen Wahlkampf ausschließlich durch private Spenden finanziert habe. Viermal so viel Geld wie sein republikanischer Rivale John McCain sammelte Obama damals ein.
Im Präsidentschaftswahlkampf 2012 hatten die Republikaner aufgeholt. Ihre Super Pacs waren erfolgreicher, doch mit einer Vielzahl von Klein­spenden lag Obama am Ende mit 1,1 Millarden Dollar um 100 Millionen Dollar vor Mitt Romney. Eine größere Zahl politisch profilierter Milliardäre steht auf Seiten der Republikaner, aber es gibt auch liberale Großspender. Vor kurzem trat der Hedgefonds-Milliardär Tom Steyer mit seinem Super Pac NextGen Climate Action an die Öffentlichkeit, der mit 100 Millionen Dollar aus­gestattet werden und vor den Wahlen im November mit Fernsehspots Kandidaten angreifen soll, die globale Erwärmung leugnen. Die Wahlkampfausgaben steigen weiter. »Der Himmel ist das ­Limit«, urteilte der britische Economist.