Der Sheriff von Verona

Sie beschmutzen die Altstadt mit ihren Exkrementen, sie belästigen Touristen, und auch die Anwohner beschweren sich, denn sie sind laut, riechen schlecht und suchen ständig nach Essbarem. Veronas Bürgermeister, Flavio Tosi, macht sich Sorgen um »den Anstand« seiner Stadt, den er bedroht wähnt. Nein, nicht die lästigen Tauben, die Italiens Plätze bevölkern, sind das Problem des Bürgermeisters von der Lega-Nord. Befreien will er die Altstadt von Obdachlosen und Bettlern, von denen es in der rund 250 000 Einwohner zählenden Stadt nach Angaben von Hilfsorganisationen nicht mehr als 100 gibt. Um diesem angeblichen »Obdachlosennotstand« zu begegnen, erließ Tosi eine Verordnung, von der er sich offenbar verspricht, dass sie die unansehnliche Armut in die Peripherie verbannt. Bis zum 31. Oktober macht sich jeder, der Obdachlosen in der Altstadt etwas zu essen oder zu trinken anbietet, strafbar und kann mit einem Bußgeld zwischen 25 und 500 Euro belegt werden.
Es ist nicht auszuschließen, dass Tosi, auch als »Sheriff von Verona« bekannt, sich eine radikalere Lösung gewünscht hätte. Doch ein Verbot von Obdachlosigkeit hätte für internationales Aufsehen gesorgt, wie in Ungarn vergangenes Jahr, und so begnügte sich der Bürgermeister mit einem indirekten Verbot, das vor allem gegen die Hilfsorganisationen gerichtet ist, die Lebensmittel und warme Kleidung an Obdachlosen verteilen.
Als Bürgermeister der Lega Nord musste sich Tosi zunächst im Umgang mit unerwünschten Migranten und Roma beweisen, was er in den vergangenen Jahren engagiert tat – etwa mit Verordnungen gegen den Straßenverkauf und mit Razzien in Roma-Siedlungen. Nun sind die Obdachlosen dran. Bereits 2007 hatte Tosi Maßnahmen gegen sie ergriffen. Damals ließ er die Parkbänke der Stadt gegen unbequemere Modelle mit Armlehnen austauschen, damit die Obdachlosen nicht mehr darauf schlafen. Eine Investition, die offenbar wenig gebracht hat. Am Design der Parkbänke liegt das vermutlich nicht. Die Zahl der Obdachlosen und der Menschen, die für ihre Versorgung auf Hilfseinrichtungen angewiesen sind, hat sich in den vergangenen zwei Jahren verdoppelt, melden lokale Hilfsorganisationen. Und es handelt sich dabei weder um sogenannte Armutsflüchtlinge noch um Roma, sondern immer häufiger um italienische Staatsbürger.