Detlef Kannapin hat herausgefunden, wer die WM gewinnt

Spanien oder Brasilien?

Wer wird Fußballweltmeister 2014? Die wissenschaftliche Analyse.

Vorbemerkung
Man muss sich leider vor Augen führen, dass der Kapitalimus aus den sportlichen Großveranstaltungen Gladiatorenkämpfe gemacht hat. Dieses regressive Element schmälert natürlich sämtliche Vergnügungen, die der Fußball als Spiel immer noch bietet. Die sozialen Bedingungen in Brasilien machen es ebenfalls schwierig, das Ereignis der WM vorbehaltlos zu begrüßen.
Fußballerisch hat die politische Ökonomie der Spielsaison in den vergangenen Jahren zu hohen Verbrauchs- und Verlustquoten von Spielern geführt. Es gibt inzwischen eindeutig zu viele Spiele. Zu leiden haben darunter die großen Turniere, denn irgendwann ist auch bei Profis der Akku alle. Entweder häufen sich Verletzungen oder das Spielniveau sinkt. Mit dieser Situation sind die Fußballweltmeisterschaften seit etwa 30 Jahren konfrontiert.
Die spielerisch besten Weltmeisterschaften gab es (in absteigender Rangfolge) in Mexiko 1970, in Mexiko 1986, in Argentinien 1978 und in England 1966. Alle Weltmeisterschaften nach 1990 fallen im Vergleich dazu ab, wobei nicht ganz zu entscheiden ist, ob die WM 2006 in Deutschland oder die WM 1994 in den USA den bisherigen spielerischen Tiefpunkt bildet.

Methodik und Grundvoraussagen
Die Beurteilung der Fußball-WM 2014 wird anhand objektiver, rationaler und valider Kriterien vorgenommen. Subjektive, irrationale und moralische Komponenten sind ausgeschlossen. Statistiken und Zählgrößen werden im Anschluss an Hegel als zur politischen Philosophie des Fußballs nicht zugehörig verworfen. Die politische Fortschrittsperspektive fließt hingegen zwingend in die Analyse der jeweiligen Spielkulturen mit ein. Damit erfüllt die Darstellung die Prämissen des dialektischen Materialismus.
Der Turniersieg kann danach nur von zwei Mannschaften ausgefochten werden: Gastgeber Brasilien und Titelverteidiger Spanien. Beide Mannschaften stehen nach wie vor an der Spitze des Weltfußballs und sollten, sofern alles mit rechten Dingen zugeht, den Titel unter sich ausmachen. Fatal wäre ein gegenseitiges Aufeinandertreffen im Achtelfinale, was bei schlampiger Ausführung eines Gruppenspiels im Bereich des Möglichen liegt. (So etwas Unsägliches von 2010 wie Spaniens 0 : 1 - Niederlage gegen die Schweiz oder Brasiliens Aussetzer im Viertelfinale gegen die Niederlande mit tatkräftiger Unterstützung des Schiedsrichters ist also zu vermeiden.)
Neben Brasilien und Spanien sind folgende Teams zu beachten: Argentinien und Uruguay würden dem Gastgeber gerne den Titel wegschnappen. Auch Chile und Kolumbien möchten mitreden. Auch der europäische Fußball (obwohl hier außer Spanien niemand für den Titel wirklich in Frage kommt) hat Potential. Interessant ist Italien (man rekonstruiere das schon deutlich verloren geglaubte Confed-Cup-Spiel gegen Japan, das im vorigen Jahr 4:3 gewonnen wurde), aber auch Portugal und auch das als Geheimtipp gehandelte Belgien. Nachrangig diesmal: England, Frankreich und die Niederlande, obwohl man sich bei allen nie sicher sein kann, ob nach dem zweiten Spiel nicht doch der Knoten platzt. Die Wundertüte der WM: die Bundesrepublik Deutschland, kurz BRD genannt. Die vielen Angeschlagenen und die seit Jahren unklare Spielstrategie werden durch Kraft, Ausdauer und Bayern-Glück ausgegeglichen, so dass von Finalteilnahme bis Achtelfinal-Aus (Vorrundenscheitern wäre zwar ein Glücksfall, dürfte aber so unwahrscheinlich sein wie die Bahnhofsbesetzung ohne Bahnsteigkarte) alles drin ist.
Die Teilnehmer aus Afrika und Asien werden größtenteils schwer zu bespielen sein, aber mehr als ein Achtungserfolg des einen oder anderen wäre sehr überraschend.

Die Gruppen
A:
Brasilien wird unter normalen Umständen Weltmeister, es sei denn, im Finale warten Spanien (oder Uruguay, vgl. 1950!), dann ist einiges wieder offen.
Kroatien (= Italien 2) hat nichts mehr vom jugoslawischen Esprit verflossener Tage, sondern nur deren Unbeherrschtheit übernommen. Die Ustascha-Tradition wird symbolisiert durch Härte und Catenaccio.
Mexiko sollte sich wieder daran erinnern, dass man Tore schießen muss, um weiterzukommen. Sofern die Erinnerung wieder da ist, sollte es für das Achtelfinale reichen.
Kamerun hat vermutlich keine Chance.

B:
Spanien (siehe oben) kann sich nur selber schlagen oder auf den Gastgeber treffen.
Niederlande unter van Gaal sind eher unberechenbar. Der Hauptkonflikt wird mit Chile ausgetragen.
Chile vergisst (ähnlich wie Mexiko) zu oft das Toreschießen. Dadurch kann der Hauptkonflikt mit den Niederlanden auch verlorengehen.
Australien, nun ja.

C:
Kolumbien ist eine der großen Unbekannten des Turniers. Im Normalfall reicht aber eine durchschnittliche Leistung für das Weiterkommen.
Griechenland hat bei diesem Turnier nichts zu suchen.
Elfenbeinküste ist eher zu alt für die WM. Jetzt haben sie zwar eine lösbare Gruppe, aber wahrscheinlich nicht mehr die Kraft zum Überleben.
Japan bräuchte ebenso wie Kolumbien nur solide Hausmannskost abzuliefern, um das Achtelfinale zu erreichen.

D:
Uruguay dürfte hochmotiviert sein, um im Lande des Erzrivalen zuzuschlagen. Allerdings gilt für diese Gruppe wieder das alte Motto: Defensive.
Costa Rica ist hier Außenseiter, was aber nicht heißt, dass sie nicht doch einen der drei Großen ärgern können.
England kann die Gruppe überstehen, wenn auf Rooney verzichtet wird. Die Verjüngungskur ist optimistisch zu begleiten.
Italien (= Italien 1) macht leider jedem Gegner Scherereien.

E (noch vor C die Skandalgruppe laut Zusammensetzung, davon kommen zwei weiter!):
Schweiz ist hier ganz vorn, was in umgekehrtem Verhältnis zur Leistungsfähigkeit und damit zur Teilnahmeberechtigung steht.
Ecuador fehlt vermutlich die Erfahrung, um die Schweiz und Frankreich rauszukegeln.
Frankreich ist über die Jahre nicht attraktiver geworden.
Honduras rundet das Bild einer denkbar merkwürdigen Gruppeneinteilung ab.

F:
Argentinien analog zu Uruguay (siehe oben). Wenn sie endlich Systematik in ihr Spiel bringen, einer der Halbfinalisten.
Bosnien-Herzegowina (= Jugoslawien 1/2) ist der einizge Neuling und spielt seine allererste WM. Dadurch fällt ein Urteil schwer. Das Team verfügt aber über einige gute Spieler, es besteht also die Möglichkeit restjugoslawischer Klasse.
Iran wird kaum eingreifen können.
Nigeria besitzt als aktueller Afrikacup-S ieger einige Meriten. Bei halbwegs konstanter Leistung ist der zweite Platz in der Gruppe realistisch.

G:
Deutschland müsste unter den obwaltenden Umständen (siehe oben) zum Gurkenfußball zurückkehren. Damit hat man 1982, 1986 und 2002 das Finale erreicht.
Portugal darf gegen Deutschland zum Auftakt nicht verlieren, dann sind die Aussichten gut bis sehr gut.
Ghanas Vorschusslorbeeren widersprechen dem Gegenwind aus der Gruppe.
USA mit Klinsmann ist so wie England mit Capello.

H:
Belgien als heimlicher Mitfavorit könnte es wirklich weit bringen. Entscheidend wird sein, wie viel Disziplin in der Truppe steckt.
Algerien spielt keine Rolle.
Russland kopiert seit Jahren die Solidität früherer UdSSR-Mannschaften, ohne die gleiche Attraktivität auszustrahlen. Auch hier hat der Transformationsprozess Spuren hinterlassen. Wo ein Rückstand tödlich ist, fehlt natürlich die Berufung zu Höherem.
Südkorea ist sehr unangenehm und deshalb nicht abzuschreiben.

Schluss
Aufgrund der Objektivität der Aussagen sind nun sämtliche Zweifel ausgeräumt. Alles Weitere ist rein spekulativ und durch keine wissenschaftliche Methode gedeckt.