Kapitalismus zum Anfassen

»Ach, wieder eine neue Galerie«, sagt eine ältere Frau, als sie die vielen Menschen vor dem Laden in der Böhmischen Straße in Berlin-Neukölln sieht. Tatsächlich befindet sich dort das »Museum des Kapitalismus« (MdK) und keine Galerie wie jede andere. Die Organisatoren sagen, dass es in Deutschland einmalig sei. »Es sind viele Bewohner aus der Nachbarschaft vorbeigekommen«, freut sich Johannes, der zum etwa zehnköpfigen Vorbereitungskreis gehört. Die meisten Beteiligten gehören der außerparlamentarischen Linken an. »Die Besucher sollen selbst ausprobieren und so erfahren, wie der Kapitalismus funktioniert«, sagt Mitorganisator Malte Buchholz. Die Besucherin Erika Buchholz ist vom Konzept angetan. »Zu viele Ausstellungen versuchen den Kapitalismus kompliziert zu interpretieren. Hier kann ich selber Wissen erarbeiten«, sagt die Erwerbs­losenaktivistin. Die Ausstellung ist in die Bereiche Finanzen und kapitalistische Stadt aufgeteilt. Es gibt verschiedene interaktive Installationen. Die Besucher können eine Pumpe bedienen, die den Wirtschaftskreislauf symbolisiert, oder ausrechnen, was die Produzenten von Sportschuhen und T-Shirts im globalen Süden verdienen. In einer Ecke können sie eine Handyhülle und eine Shampoo-Flasche über einen Scanner ziehen, wie er an den Kassen der Warenhäuser benutzt wird. Im MdK informiert allerdings ein Text auf dem Bildschirm über die Ausbeutungsverhältnisse, auf denen die Herstellung der Produkte beruht. In den Ausstellungsräumen fallen einem viele ältere Monitore auf. Dort können die Besucher ein kurzes Statement über den Kapitalismus aufnehmen. Sollten diese kapitalismuskritischen Stellungnahmen repräsentativ sein, zählten FDP-Anhänger bisher wohl nicht zu den Besuchern. Aus finanziellen Gründen ist das MdK vorerst nur bis Mitte Juli geöffnet, aber die Organisatoren wollen sich für ein dauerhaftes »Museum des Kapitalismus« in Berlin einsetzen.