Katzen haben immer Hunger

Von Staatsbesuchen wird gewöhnlich berichtet, dass der Regierungschef von einer Wirtschaftsdelegation begleitet wurde. So reiste Bundeskanzlerin Angela Merkel Anfang Juli unter anderem mit Managern von der Deutschen Bank, VW, Siemens und Thyssen-Krupp nach China. Doch man kann darüber streiten, wer in wessen Gefolge reist, denn die Aufgabe des Regierungschefs ist es, für ein Unterhaltungsprogramm zu sorgen, während die Manager ihrem Job nachgehen. Zum Pflichtprogramm westlicher Politiker in China gehört deshalb immer eine Rede, die daheim als Kritik an den autoritären Verhältnissen dargestellt werden kann, aber nicht so konkret sein darf, dass sie die Geschäftspartner verärgert. Merkel erledigte dies an der Universität Tsinghua, während die deutschen Manager mit ihren chinesischen Kollegen ein neues Gremium gründeten, den Deutsch-Chinesischen Beratenden Wirtschaftsausschuss (DCBWA). Der verursachte umgehend einen kleinen Skandal, nachdem die FAZ ihr zugespielte Dokumente veröffentlichte.
So wünscht sich der DCBWA einen zum Teil staatlich finanzierten Innovationsfonds, weil »deutsche Unternehmen die Kosten und das Risiko für Forschung und Entwicklung nicht alleine tragen wollen und gerne die öffentliche Hand mit im Boot haben«, wie die FAZ mutmaßt. Die schwere Bürde des Profits werden sie dann wieder alleine schultern. Aber auch die ständige Mäkelei sind die deutschen und chinesischen Unternehmer leid, es sei die »gemeinsame Aufgabe der Regierungen und der Wirtschaft beider Länder, ein gutes Bild chinesischer Unternehmen in Deutschland zu fördern«. Vorher erstellte Fassungen, die der FAZ vorliegen, hatten noch direkter eine Einflussnahme auf die Medien angeregt. Auch andere Forderungen wie die nach der Rücknahme des Mindestlohns haben die Deutschen ihren chinesischen Kollegen offenbar ausgeredet. Die Unverschämtheit des DCBWA überrascht eigentlich weniger als der Einsatz der Deutschen für chinesische Investoren, die stärker begünstigt werden sollen. Doch das Geschäft ändert sich, bei einem Durchschnittslohn von 630 Euro pro Monat in Peking können chinesische Unternehmer nun schon billiger in Kiew (450 Euro) produzieren. Es gehe nun um »gemeinsame Interessen«, sagte Hubert Lienhard, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft. »Es spielt keine Rolle, ob die Katze schwarz oder weiß ist; wenn sie Mäuse fängt, ist sie eine gute Katze«, urteilte bereits Deng Xiaoping, der die marktwirtschaftlichen Reformen in China einleitete. Privat- und Staatskapitalisten betrachten die Welt aus der Sicht eines Raubtiers. Aber auch aus Mäusesicht stimmt es ja: Der Fressfeind mag sich ein anderes Fell überstreifen, sein Hunger wird dadurch nicht geringer.