Streik von Ikea-Beschäftigten in Italien

Cobas ante portas

Italienische Logistikbeschäftigte kämpfen gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Einige Unternehmen machen Zugeständnisse, doch Ikea entlässt 24 Angestellte.

»Vor zwei Jahren hatte unsere Gewerkschaft in Rom drei Mitglieder. Heute sind es 3 000«, sagt Karim Facchino. Der Lagerarbeiter ist Mitglied der italienischen Basisgewerkschaft S.I. Cobas sieht den rasanten Mitgliederzuwachs als Folge eines Arbeitskampfs, der auf die Selbstorgani­sation der Beschäftigten vertraut: »Wir haben keine bezahlten Funktionäre, nur einen Koordinator, doch sein Platz ist nicht am Schreibtisch eines Büros, sondern auf der Straße und vor der Fabrik.«
In den vergangenen Monaten war er dort häufig zu finden. Denn seit 2011 kämpfen die Logistikbeschäftigten in Italien gegen ihre besonders schlechten Arbeitsbedingungen. »Regelmäßig wurde ihnen durch falsche Lohnabrechnungen ein Teil ihres Lohnes gestohlen. Sie waren nicht gegen Unfälle geschützt, bekamen kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld und hatten keine garantierten Arbeitszeiten«, sagt Johanna Schellhagen von Labournet.tv im Gespräch der Jungle World.

Besonders schlecht waren die Arbeitsbedingungen der Lagerarbeiter großer Warenhäuser, die oft aus europäischen, arabischen und nordafrikanischen Staaten angeworben wurden. Sie waren meist nicht direkt bei den Warenhäusern, sondern bei Subunternehmen angestellt. »Die Bosse haben gedacht, wir können uns nicht wehren, doch da haben sie sich getäuscht«, sagt Facchino, der in Marokko geboren wurde.
Ein zentrales Mittel im Arbeitskampf waren Blockaden, wenn Waren angeliefert werden sollten. Die Polizei ging oft mit brutaler Gewalt gegen die Beschäftigten vor. Die Bilder von Streikenden, die von der Polizei blutiggeschlagen worden waren, sorgten in Italien für Empörung. Dadurch wuchs die Unterstützung für die Beschäftigten. In mehreren Unternehmen konnten eine Verkürzung der Arbeitszeiten und höhere Löhne durchgesetzt werden.
Doch vor allem Ikea scheint entschlossen, den Streik der Beschäftigten repressiv zu beantworten. Im Juni wurden 24 Beschäftigte des Ikea-Lagers in Piacenza entlassen, alle sind Mitglieder der Gewerkschaft S.I. Cobas. Gleichzeitig wächst die polizeiliche und juristische Repression. So wurden gegen vier Mitglieder von Laboratorio Crash und gegen fünf Mitglieder des Collettivo Hobo Aufenthaltsverbote für die Orte verhängt, in denen sich die bestreikten Unternehmen befinden. Die beiden linken Gruppen unterstützen die Logistikbeschäftigten. Eine Unterstützerin, die in Piacenza wohnt, bekam eine mündliche Verwarnung mit der Aussicht auf ein Aufenthaltsverbot in ihrer eigenen Stadt. Käme es dazu, könnt sie ihre Wohnung nicht mehr legal betreten.

Dieser Repression von Unternehmen und Polizei wollen die Beschäftigten mit einer Ausweitung der Solidarität begegnen. Bereits am 25. Juni gab es den ersten Ikea-Aktionstag mit kleinen Kundgebungen vor Filialen in Hamburg und Berlin. Der zweite Ikea-Aktionstag am 26. Juli fand bereits in weiteren Städten statt. Ikea ist als internationaler Konzern ökonomisch verwundbar, wenn Kunden die Arbeitsbedingungen in den italienischen Logistikzentren nicht mehr gleichgültig sind.
Ausgangspunkt der Solidaritätsarbeit war ein Treffen europäischer Basisgewerkschafter Ende März in Berlin (Jungle World 12/2014). »Dort berichteten zwei Kollegen von S.I. Cobas über den Kampfzyklus. Danach haben wir begonnen, diesen Arbeitskampf bekannt zu machen«, erzählt Johanna Schellhagen. Mitte Mai wurde einer der engagierten Lagerarbeiter aus Bologna zu Informationsveranstaltungen nach Deutschland eingeladen. In Berlin wurde auch ein Austausch mit Gewerkschaftern aus der Logistikbranche in Deutschland organisiert. Damit wird auch noch einmal die Bedeutung der neuen Medien für die Solidaritätsarbeit deutlich. Denn zuvor hatte der jahrelange Arbeitskampf kaum Beachtung gefunden.