Die Grünen wollen aus Berlin-Kreuzberg einen »essbaren Bezirk« machen. Obstbäume für alle!

Das Paradies muss essbar sein

Nicht nur Bäume, alles sollte Früchte ­tragen – und zwar für jeden.
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Man kann den Kreuzberger Grünen gar nicht dankbar genug sein für diese wunderbare Idee. Die Straßen Berlins sind derzeit mit unnützen Lindenbäumen nur so zugestellt. 437 964 Straßenbäume gibt es im Stadtgebiet, 35 Prozent davon sind Linden. Wer sein Auto darunter parkt, weiß, was für eine Seuche das ist. Den ganzen Frühling wird das Gefährt regelmäßig komplett von einer extrem klebrigen, gummiartigen Masse überzogen. »Unter den Linden« bekommt so eine ganz neue Bedeutung. Ist die Sommerlinde verblüht, kleckert die Silberlinde weiter, das hört gar nicht mehr auf. Außer Linden gibt es in den Straßen der Stadt noch Ahornbäume, mit großem Abstand folgen ein paar Eichen, Platanen, Kastanien, Birken und Robinien. Das braucht doch ­alles kein Mensch! Etwas zu essen braucht hingegen jeder. Warum also nicht stattdessen Obst- und Nussbäume pflanzen? Das freut nicht nur die Menschen, sondern vor allem auch die Bienen, denn immer nur Lindenblüten, das ist natürlich eine extrem einseitige Kost. Eine größere Biodiversität bedeutet für Bienen ein größeres Buffet, und auch für die inzwischen zahlreichen Stadtimker hat das nur Vorteile. Je abwechslungsreicher die Bienen frühstücken, desto besser wird der Honig. Das ist für uns Konsumenten auch wieder gut. Also eine Win-Win-Win-Situation.

Ja, man soll die hölzernen Freunde des Menschen nicht unterschätzen. Bäume können mehr, als nur hübsch in der Gegend herumzustehen. Schon Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620 – 1688) hat das erkannt und dafür gesorgt, dass in Berlin und Brandenburg vor allem Weiße Maulbeerbäume gepflanzt wurden. Die sahen nämlich nicht nur gut aus, sondern sorgten auch dafür, dass im Jahr 1784 in Preußen 13 432 Pfund Rohseide produziert werden konnten, immerhin fünf Prozent des damaligen Seidenimports. Das Problem war: Es gab zwar viele Maulbeerbäume, aber zu wenige Menschen, die bereit waren, sich der doch mühsamen Raupenzucht zu widmen. Wie man im Archiv der Berliner Senatsverwaltung erfahren kann, waren etwa 200 Arbeitsstunden für 20 000 Raupen notwendig. Zu viel! Immerhin waren nebenbei auch noch diverse Kriege zu führen, da kamen die Raupen einfach zu kurz. »Nach dem Tode Friedrichs II. im Jahre 1786 und dem damit verbundenen Ende der Förderung der Seidenproduktion brach dieser Industriezweig zusammen«, heißt es bei den Stadthistorikern des Senats ernüchternd.
Nun kann man sagen: diese faulen Preußen! Seide wollten sie unbedingt haben, aber dafür tun wollten sie nichts. Die Preußen waren aber nicht nur faul, sondern, wie man sie kennt, auch frei von jedem Altruismus. Protestantisch wie sie waren, sahen sie nicht ein, Bäume, die Früchte tragen, dort zu pflanzen, wo jeder ohne eigener oder auch fremder Hände Arbeit davon profitieren konnte. Nein, die Obst- und Nussbäume wurden sorgfältig in den eigenen Gärten eingehegt, im öffentlichen Raum pflanzte man dem Menschen möglichst unnützes Gestrüpp. Gratisobst für alle ist mit dem lutherschen Protestantismus nicht zu vereinbaren. Eigentlich Obst ganz allgemein nicht. Weil Bienen alle nötigen Arbeiten verrichten und man selbst nur noch ernten muss, ist solch ein Baum ja wie ein Stück aus dem Schlaraffenland: Die Kirschen wachsen einem ohne Zutun förmlich in den Mund, wenn man sein träges Haupt nur richtig postiert.

Und so sollte man das Projekt der Grünen, das den schönen Namen »Essbarer Bezirk« trägt, auch verstehen. Als Schlaraffenlandschaffungsmaßnahme. Kommunismus ohne Arbeit! Alles für alle – und zwar umsonst. Geradezu paradiesisch (aber eben nicht evangelisch). Wir kennen das aus der Bibel: »Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater nährt sie doch.« Der Leiter des Berliner Grünflächenamtes heißt zwar nicht Matthäus, sondern Hilmar Schädel, hat aber eine ganz ähnliche Passion wie der alte Apostel. Er hat ausdrücklich betont: Alle sollen ernten dürfen, »auch die, die weder pflanzen noch sich um das Grünzeug kümmern«. Lohnarbeit ade. Essen, was einem vor die Nase kommt. Oder rauchen! Wenn die Stadt zum Garten wird, sollten auch die nutzlosen Hecken künftig aus Cannabispflanzen bestehen, klar.
Und warum bei Pflanzen aufhören? Der essbare Bezirk sollte komplett verputzt werden können. Was einem nicht passt, könnte ja dennoch schmecken. Das Lebkuchen-Jobcenter wird schon zum Frühstück verspeist. Die nervige Ampel wird gar nicht mehr rot, wenn man das Erdbeertörtchen herausgegessen hat. Die Autos, die auf dem Bürgersteig parken, sind aus Schokolade und man futtert sie einfach aus dem Weg. So ähnlich müsste ein essbarer Bezirk aussehen. Hoffentlich bedenken die Grünen das bei ihrem »Projekt«.
Selbstverständlich funktioniert das alles nur, wenn man die Hunde, die ansonsten den ganzen Garten Eden vollkacken, auch verspeist. Aber warum nicht? Da gibt es schon jetzt interessante Rezepte im Internet.