Exponate aus dem Louvre sollen in Abu Dhabi gezeigt werden

Auch Nackte dürfen fliegen

Im Pariser Louvre endete die Werkschau »Geburt eines Museums«. Die Exponate ­werden im nächsten Jahr im Abu Dhabi Louvre gezeigt.

Vergangene Woche geriet der altehrwürdige Louvre in die Schlagzeilen der französischen Boulevardpresse. Es ging um den Rattenbefall auf den Rasenflächen des Pariser Museums. Aber nicht nur das: In der vergangenen Woche endete auch eine dreimonatige Ausstellung mit 160 Exponaten, die im nächsten Jahr in dem gigantischen Neubau des Louvre Abu Dhabi gezeigt werden sollen.
Das Management des Pariser Museums bemüht sich seit einigen Jahren, Dependancen des Louvre in anderen Metropolen zu errichten. Der kulturelle Austausch soll so erleichtert werden, vor allem sollen die ausgestellten Kunst- und Kulturschätze dem Publikum außerhalb Europas nahegebracht werden.
Ein vergleichsweise überschaubares Projekt wurde 2012 in Frankreich verwirklicht: Der Louvre-Lens im früheren nordfranzösischen Bergbaurevier wurde auf dem Gelände eines stillgelegten Steinkohlebergwerks errichtet. Für den Besuch wird mit Bahnfahrkarten zum Sondertarif geworben. Man möchte schließlich auch die weniger wohlhabenden Bewohner der Provinz ins Museum locken.
Die nächste Dependance des Louvre soll im kommenden Jahr in Abu Dhabi, der Hauptstadt des gleichnamigen Emirats und der Vereinigten Arabischen Emirate, eröffnet werden. Mit der Bahn wird der »Wüsten-Louvre« nicht zu erreichen sein. Viele Besucher werden wohl mit Luxuslimousinen anreisen, doch die letzten 500 Meter werden sie mit dem Schiff zurücklegen müssen, denn der Louvre Abu Dhabi wird auf einer vorgelagerten künstlichen Insel mit dem Namen Saadiyat errichtet. Daneben sollen bis 2016 das Nationalmuseum Zayed und bis im Jahr 2017 eine Dependance des New Yorker Guggenheim-Museums entstehen. Der Guggenheim-Neubau soll größer ausfallen als die beiden bisher bestehenden Museen in New York und Berlin, die der Guggenheim-Stiftung gehören.
Zwar sind auch die Golfstaaten von der internationalen Finanzkrise betroffen, doch wenn dort gespart werden muss, dann auf hohem Niveau. Der Bau von Prestigeprojekten wie dem Louvre Abu Dhabi verzögert sich lediglich. Ursprünglich sollte das Gebäude bereits 2013 eingeweiht werden.
Die Grundsteinlegung erfolgte im Januar vergangenen Jahres, kurz nachdem Staatspräsident François Hollande am 15. Januar 2013 persönlich die Baustelle besucht hatte. Vor allem Arbeitsmigranten aus Süd- und Südostasien arbeiten dort unter sklavenähnlichen Bedingungen. Der Louvre hat, anders als das Guggenheim-Museum und die University of New York auf ihren Baustellen in den Emiraten, keine Vertragsklauseln aufsetzen lassen, die Mindestbedingungen für die zum Bau eingesetzten Arbeitskräfte und deren Kontrolle vorschreiben. Das hat Human Rights Watch anlässlich von Hollandes Besuch durch scharf kritisiert.
Vor der Unterzeichnung des Grundlagenvertrags zwischen Frankreich und den Vereinigten Arabischen Emiraten im Frühjahr 2007 hatten 5 100 Museumskuratoren, Kunsthistoriker und andere Kulturschaffende eine Petition gegen den Louvre Abu Dhabi unterzeichnet. Neben generellen Vorbehalten gegen den Verkauf der Nutzungsrechte an dem prominenten Namen »Louvre« wandten sie sich auch gegen die Wahl des Standorts in einem arabischen Golfstaat. Abu Dhabi sei wie andere neureiche Kleinstaaten am Golf ein Land ohne kulturelle Infrastruktur. Es gebe keine Kunst- und keine Meinungsfreiheit. Die Zensur ist tatsächlich allgegenwärtig in Abu Dhabi, wo politische Parteien ebenso wie Gewerkschaften verboten sind und der Monarch weitgehend autokratisch Entschei­dungen trifft.
Daher wurde befürchtet, dass die Kuratoren in Abu Dhabi die Exponate aus Frankreich sehr selektiv in den »exportierten« Louvre aufnehmen würden. Dieser soll den Verträgen zufolge zunächst zehn Jahre lang mit Leihgaben aus französischen Museen ausgestattet werden, die Rede ist von 300 Werken aus dem Pariser Louvre, die alle zwei Jahre ausgetauscht werden sollen. Geplant sind vier temporäre Ausstellungen pro Jahr. Mit den Jahren, so hofft man, werde es genügend eigene Erwerbungen geben, um das Museum auszustatten. Viele Kritiker befürchteten, dass Aktdarstellungen und Werke mit religiösen Sujets, die nicht dem orthodoxen Islam entsprechen, zensiert werden könnten. Das Management des zukünftigen Louvre Abu Dhabi sicherte zu, dass es keine Leihgaben »aus unvernünftigen Gründen« ablehnen werde.
Der Umgang mit Kunst in den umliegenden Golfmonarchien ist wenig ermutigend. Im benachbarten Katar wurde eine Ausstellung über Sport im Jahr 2013 zensiert, mit der man sich als Ausstragungsort der Fußballweltmeisterschaft 2016 und der Olympischen Spiele 2024 empfehlen wollte. Doch die aus Griechenland, dem Ursprungsland der Olympischen Spiele, geliehenen antiken Statuen waren den Zensoren zu nackt. Viele Schaukästen und Sockel in der Ausstellung blieben leer.
»Die Geburt eines Museums« lautete der Titel der in Paris gezeigten Ausstellung mit den für den Louvre Abu Dhabi vorgesehenen Werken, darunter Bilder von René Magritte, Édouard Manet, Paul Gaugin und Pablo Picasso, aber auch Arbeiten des US-Amerikaner Cy Twombly. Wer die Ausstellung besuchte, deren Objekte nun für den Flug an den Arabisch-Persischen Golf verpackt werden, merkte schnell, dass bei der Auswahl keine Konzessionen an den orthodoxen Islam gemacht worden sind. Die Ausstellung beginnt mit einer Kulturgeschichte der Region rund um die Vereinigten Arabischen Emirate. Heute sind die Länder des 1971 geschlossenen Staatenbunds geprägt von einem ultrakonservativen Islam und dem Ölreichtum der Region, die auf eine mehrtausendjährige Kultur- und Handelsgeschichte zurück­blicken kann. Die vorislamischen Hochkulturen der Region mit ihren Statuen, Männer- und Frauenfiguren, Keramiken und Kultgegenständen werden ausführlich gewürdigt. Schon das widerspricht der strengen Auslegung des sunnitischen Islam, derzufolge es vor seiner Ankunft keine Hochkultur in den betreffenden Ländern gegeben haben kann.
Die Ausstellung betont die Bedeutung der wechselseitigen Beeinflussung zwischen den Kulturräumen in allen geschichtlichen Epochen. Dabei wird nicht nur der Beitrag der drei monotheistischen Buchreligionen aufgezeigt, sondern auch der Anteil des Hinduismus, des Buddhismus und der älteren polytheistischen Religionen. Aus der Sicht des radikalen Islam ist diese Darstellung eigentlich inakzeptabel: Zwar finden die beiden anderen Buchreligionen, das Christentum und das Judentum, aus streng islamischer Sicht Akzeptanz, nicht aber »heidnische«, polytheistische Religionen.
Die Ausstellung führt den Besucher durch die Geschichte der Renaissance in Europa und die der modernen Kunst. In der letzten Abteilung verweist sie darauf, dass es heute keine geschlossenen Kulturräumen mehr gibt und ohne einen stetigen Austausch kein kulturelles Schaffen möglich ist.
Ihren Anspruch, universal zu sein, hat die Ausstellung eingelöst und, anders als befürchtet, keine Konzessionen an fundamentalistiche Positionen gemacht. Im Pariser Louvre ist sie beim Publikum auf großes Interesse gestoßen und konnte ohne Zwischenfälle gezeigt worden. Wie die Schau im Louvre Abu Dhabi aufgenommen wird, muss sich noch zeigen.