King Kong und die weiße Frau
Drei Wochen Herräng-Dance-Camp fordern ihren Tribut. Ich habe das Weltgeschehen völlig vergessen, komme jeden Morgen erst um sechs Uhr vom Tanzen und schlafe bis zwölf. Weil hier so viele Lindy-Hopper und Lindy-Hopperinnen aus aller Welt sind, will man natürlich keine der kostbaren Nächte verschlafen. Neben den Tänzen wird einem hier, im größten Swing-Dance-Camp der Welt, so einiges geboten. Gestern gab es neben einer Male-Burlesque-Show einen Vortrag über Dirty Songs und die Möglichkeit, gegen eine kleine Spende – der Tanzboden des Ballsaals muss erneuert werden – mit den Tanzlehrern zu tanzen. Außerdem spielen auf den drei Dancefloors immer sehr gute Bands.
In diesem Jahr habe ich zum ersten Mal in Herräng Schallplatten aufgelegt. Als »DJ Bügelbrett« parodierte ich das DJing, indem ich meinen 50 Jahre alten batteriebetriebenen Miniaturplattenspieler von Philips mit einem Mikrophon an die Hausanlage anschloss und auf einem Bügelbrett präsentierte. Ich behaupte immer, dass mit diesem Plattenspieler jeder auflegen kann, weil er so einfach zu bedienen ist. Es lief auch zunächst ganz gut, kurz vor drei Uhr hatte ich die Tanzfläche allerdings bis auf drei Paare leergespielt und drei Leute in der Ecke sogar zum Schlafen gebracht.
Jeden Freitag gibt es hier eine große Verkleidungsparty. Meine Freundin hat sich noch nie gerne kostümiert, und für jemanden, der sich nicht mal schminkt, sind diese karnevalesken Events eher eine Qual. Ich hingegen bin immer voll dabei. Jedes Jahr verschwinde ich am Tag vor unserer Abreise nach Schweden für Stunden bei Deko Behrend in der Hauptstraße in Berlin-Schöneberg und komme mit unglaublich peinlichen Verkleidungen und Perücken zurück. Jedes Jahr hofft meine Freundin, dass ich die Verkleidungspartys vergesse. Jedes Jahr vergesse ich sie nicht. Letzten Sommer reisten wir mit zwei Hochzeitskleidern und zwei identischen Piratenkostümen an. Wir waren schon Siegfried und Roy, zwei Hippies und dann wieder bunt herausgeputzt für die Hawaii-Party. Wir müssen immer sehr viel Gepäck mit in den Urlaub schleppen, da der schwedische Sommer dem Berliner Winter sehr ähnlich sein kann. Um Übergepäck zu vermeiden, versuche ich immer, Kostümideen zu finden, die gleich zwei Partys abdecken. Diesmal brauchten wir Verkleidungen für eine Stummfilm-, eine Airport- und eine Gamesnight-Party. Am Ende gingen wir als Gorilla und Großwildjäger mit Tropenhut und unglaublich schlecht verarbeiteten Shorts. Über mein schwarzes Ganzkörper-Flokatistoffkostüm, das ich vor ein paar Jahren mal genäht hatte, und die Gorillamaske wurde zwar viel gelacht, allerdings schwitzte ich darunter unerträglich und bekam kaum Luft. Irgendwann lief die ganze Flüssigkeit in einem Schwall unten aus der Maske heraus und dann wollte auch niemand mehr mit dem Gorilla tanzen.
Morgen werden wir mit identischen Perücken und hautengen Dirndln mit aufgedruckten Spielkarten tanzen gehen. Die Kleider werden reißen, und meine Freundin wird darauf bestehen, dass sie nicht wieder mit uns zurück nach Berlin fliegen.
Mein Name ist Andreas Michalke. Ich zeichne den Comic »Bigbeatland« und sammle Platten aus allen Perioden der Pop- und Rockmusik. Auf meinem Blog Berlin Beatet Bestes (http://mischalke04.wordpress.com) stelle ich Platten vor, die ich billig auf Flohmärkten gekauft habe.