Braune Piratin

Deutschland ist das Land des bürokratischen Wahnsinns, kaum ein Bereich des täglichen Lebens entgeht der staatlichen Regelungswut. Man kann angesichts der eigenen Ohnmacht gegenüber den meist überflüssigen Verordnungen und Vorschriften schon mal verzweifeln, in diesem Fall sich jedoch ausnahmsweise darüber freuen: In Saarbrücken haben die verwaltungstechnischen Instrumente des Staats vorige Woche die Entstehung eines neuen Neonazi-Treffs verhindert. Jacqueline Süßdorf, alias Jacky S., betreibt die Kneipe »City Train«, die Anfang des Jahres durch die skandalumwitterte Geburtstagsparty des damaligen NPD-Generalsekretärs Peter Marx, der infolge dieser sogenannten Peniskuchen-Affäre zurücktreten musste, bundesweit Aufmerksamkeit erregte.
Jacky S. wollte ab September das Gastronomieschiff »Piraterie« übernehmen, geriet jedoch in heftigen Gegenwind. Es wurde befürchtet, dass damit in zentraler Innenstadtlage ein weiterer Treffpunkt für Neonazis, rechte Hooligans und rechtsoffene Rocker entstehen würde. Jacky S. gab sich empört und sprach von einer »Hetzjagd«, verglich ihre Situation gar mit den Judenverfolgungen in den dreißiger Jahren und nannte die Vorwürfe »verleumderisch« und falsch. Dabei lebt die 48jährige, die sich »Stolz« und »Ehre« aufs Dekolleté hat tätowieren lassen, ihre angeblich so »private politische Orientierung« offen aus, zeigt sich auf Fotos mit NPD-Funktionären, hält NPD-Werbematerial in die Kamera und erklärt in Internetforen: »Franzosen-Araber und so ein Gedöns hat bei uns keinen Zutritt.« Bereits 2013 fiel die alleinerziehende Mutter und Elternsprecherin an der Schule ihres Sohnes durch rassistische Hetze auf, indem sie einen Schüler als »rumänische Ratte« beschimpfte und offen damit drohte, ein paar Schläger vorbeizuschicken.
Für den Verpächter war dies alles kein Grund, den Vertrag zurückzuziehen, dafür reagierte überraschend die Stadtverwaltung. Sie kündigte den Pachtvertrag für den auf städtischem Grund liegenden Biergarten und teilte mit, dass »das Schiff, nach einschlägiger Rechtsprechung, eine bauliche Anlage im Sinne des Paragrafen 2 der Landesbauordnung des Saarlandes« sei, weshalb es dafür eine Baugenehmigung geben müsse, die aber nie erteilt wurde.
Die anschließende Einleitung eines »bauordnungsrechtlichen Verfahrens« zwang die Wirtin nun zum Aufgeben. Der Pachtvertrag wurde aufgelöst und Jacky S. musste ihre Träume von einem rechten Treffpunkt auf der Saar über Bord werfen. Was bleibt, ist ein fader Nachgeschmack: Die Verwaltung als Verteidigerin der Demokratie? Eine ungewohnte Rolle.