Kabinettsumbildung und neue Wirtschaftspolitik in Frankreich

Liebe für die Unternehmen

In Frankreich sind Ende August einige Minister des Kabinetts ausgetauscht worden. Die stärker wirtschaftsliberale Ausrichtung sorgt selbst bei Mitgliedern der Partei für Unmut.

Man muss nicht abergläubisch sein, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Zahl 13 für François Hollande Unglück bedeutet. Auf 13 Prozent beläuft sich der derzeitige Popularitätswert des französischen Präsidenten – so viele Französinnen und Franzosen unterstützen noch seine Politik. Die Angabe wurde zuerst von dem rechtskonservativen Wochenmagazin Le Figaro Magazine am Wochenende veröffentlicht und kurz darauf durch mehrere Umfrageinstitute bestätigt. Das Ergebnis ist also kein Ausreißer. Wobei nicht nur der Chefredakteur des Figaro Magazine, Carl Meeus, die Auffassung vertritt: »Mit 13 Prozent Popularität kann man nicht mehr wirklich regieren.« Hollandes rekordverdächtige Unbeliebtheit zerstöre »jede Handlungsfähigkeit des Präsidenten«, so Meeus.
Auch Premierminister Manuel Valls, der im April mit einem »Macherimage« und rund 60 Prozent Unterstützung in der Bevölkerung antrat, ist mittlerweile bei nur noch 30 Prozent angekommen. Die Politik der Regierung wird also offenkundig von der Wahlbevölkerung abgelehnt und nicht etwa nur deren Personal. Das ist auch nicht verwunderlich.

Seit Valls zu Anfang der letzten Augustwoche sein Kabinett umbildet hat, ist ein strammer sozialdemokratischer Rechtskurs angesagt. Die Kabinettsumbildung diente dazu, Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, einen eher linken Sozialdemokraten mit etatistischen und protektionistischen Forderungen, wegen dessen Kritik am Regierungskurs loszuwerden. Mit ihm gingen Schulminister Benoît Hamon, ein früherer Wortführer des linken Parteiflügels, und Kulturministerin Aurélie Filippetti, die nicht länger die soziale Kahlschlagpolitik gegen die Kulturprekären, die sogenannten intermittents, mittragen wollte.
Die frisch umgebildete Regierung kündigte sogleich neue wirtschaftspolitische Maßnahmen an. Der neue Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, ein früherer Banker, feierte seinen Einstand mit einem Angriff auf die im Jahr 2000 durch die damalige sozialdemokratische Regierung eingeführte Arbeitszeitverkürzung. Die theoretisch geltende 35-Stunden-Woche sei viel zu starr und müsse gelockert werden, verkündete Macron, und übernahm damit eine im vergangenen Jahrzehnt von Wirtschaftsliberalen ständig wiederholte Forderung. Die Kritik an der Arbeitszeitverkürzung wird dadurch nicht gehaltvoller. Das Gesetz aus dem Jahr 2000 setzt nur einen verpflichtenden Maßstab für die reguläre Arbeitszeit, auf das Jahr gerechnet, lässt allerdings sowohl »flexible« und stark variierende Arbeitszeiten innerhalb des Jahres als auch über die Obergrenze hinausgehende Überstunden zu.
Arbeitsminister François Rebsamen hat zwar in den vergangenen Monaten trotz wiederholter Ankündigungen nicht die Arbeitslosenrate verringert. Aber kaum war er im Amt bestätigt, verkündete er Ende August, nun würden die angeblich zu Sozialbetrug neigenden Erwerbslosen endlich Kontrollen unterzogen. Wer keine Anstrengungen zur Stellensuche nachweisen kann, dem oder der droht der vorübergehende Entzug der Leistungen der Arbeitslosenkasse. In Wirklichkeit werden entsprechende Kontrollen jedoch in aller Diskretion seit einem Jahr in vier französischen Départements probeweise durchgeführt. Dafür wurden spezielle Kontrollteams eingesetzt. Gut sechs Prozent der kontrollierten Erwerbslosen verloren ihre Bezüge in einem ersten Anlauf je für 14 Tage. Es wird nun versucht, das erprobte Verfahren allgemein einzuführen.

Zu den weiteren ersten Maßnahmen des umgebildeten Kabinetts gehörte auch die Aufhebung des Mietspiegels, den die bis März amtierende Wohnungsministerin Cécile Duflot (Grüne) eingeführt hatte. Es handelte sich um eine Mietpreisbindung, die Obergrenzen bei Neuvermietungen festlegen und so die rasant steigenden Mietkosten zumindest eindämmen sollte. Valls erklärte sie zum Hindernis für den Wohnungsbau und setzt nun stattdessen auf wirtschaftsliberale Maßnahmen wie Steuergeschenke für Investoren.
Da die Regierung weitere, bereits vor der Kabinettsumbildung angekündigte »Reformvorhaben« in der Hinterhand hält, könnte sie auch in der eigenen Partei auf Widerstand stoßen. Zu den Vorhaben gehören unter anderem eine Erleichterung der Sonntagsarbeit, die Abschaffung der bislang alle fünf Jahre stattfindenden Wahlen der Arbeitsgerichte durch sämtliche Lohnabhängigen und Unternehmer sowie die mehrjährige Aussetzung der Verpflichtung zur Einrichtung von Betriebsräten in Unternehmen mit wachsender Mitarbeiterzahl. Nicht wenige Mitglieder des Parti socialiste (PS) ballen längst die Fäuste in der Tasche über die Politik von Valls, der als Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur bei der Urabstimmung 2011 mit einer innerparteilichen Rechtsaußenposition angetreten war und dabei nur 5,6 Prozent der Stimmen erreicht hatte.

Bei der Sommeruniversität des PS in La Rochelle weigerte sich der Ordnerdienst der Partei, den Premierminister zu schützen, und bei seinem Auftritt wurde er bei der Nennung des Worts »Unternehmen« ausgepfiffen. Kurz zuvor hatte Valls als Antrittsrede nach der Kabinettsumbildung eine Ansprache bei der Sommeruniversität des Unternehmerverbands Medef im Pariser Umland gehalten. Dort proklamierte er seine »Liebe für die Unternehmen« und meinte dabei sicherlich nicht vergesellschaftete Unternehmen unter demokratischer Kontrolle, wie das Programm der Sozialistischen Partei sie in den siebziger Jahren noch vorsah. Die Vertreter des Kapitalverbands hatten Valls stehende Ovationen gegeben. In seiner eigenen Partei wird diese Kumpanei jedoch nicht von allen gern gesehen, jedenfalls nicht in diesem Ausmaß und dieser Offenheit.