Der Nato-Gipfel in Wales

Panzer auf dem Golfplatz

Den Mitgliedsstaaten der Nato fehlen ausreichende gemeinsame Interessen für eine einmütige Politik.

Die britischen Gastgeber hatten den Golfplatz rund um das Tagungshotel in Wales liebevoll als militärischen Themenpark gestaltet. Bei den aufgestellten Kampfflugzeugen handelte es sich allerdings um Modelle und die auf dem Rasen verstreuten Fahrzeuge erweckten den Eindruck, als habe sie jemand dort vergessen. Bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag voriger Woche wollte die Nato militärische Einsatzbereitschaft demonstrieren, ohne allzu militaristisch zu wirken, hinterließ aber eher den Eindruck, dass sie nicht so recht weiß, was sie mit dem vielen Kriegsgerät anfangen soll.
Obwohl die Konkurrenz aufholt, vereinigt die Nato noch immer mehr als zwei Drittel der globalen Militärmacht. Dennoch haben die Mitgliedsstaaten die etwa 30 000 Kämpfer der afghanischen Taliban nicht besiegen können, wenngleich die Nato den Einsatz unverdrossen als Erfolg feiert. Auch der russische Präsident Wladimir Putin ist wenig beeindruckt von der militärischen Überlegenheit der Nato-Armeen, der er mit einer neuen Variante der asymmetrischen Kriegsführung entgegentritt.
Die nun wieder geforderten höheren Militärausgaben würden daran freilich nichts ändern, denn der Nato fehlt es nicht an Waffen. Den auf dem Weltmarkt miteinander konkurrierenden Mitgliedsstaaten fehlt eine ausreichende Grundlage für eine gemeinsame Politik. Das Bündnis dient vor allem der Koordinierung von Militäreinsätzen, die bedeutende Nato-Mitglieder beschlossen haben – meist verspätete und unzureichende Reaktionen auf Bedrohungen, die man eigentlich lieber ignoriert hätte.
Statt sich mit der Ukraine zu befassen, würde US-Präsident Barack Obama lieber Freihandelsverträge mit asiatischen Staaten schließen, während viele europäische Politiker weiterhin mit eurasischen Bündnissen liebäugeln. Beschlossen wurde daher eine symbolische Verstärkung der Nato-Präsenz in Osteuropa. Gegen den »Islamischen Staat« haben sich zehn Staaten zu einer Koalition zusammengeschlossen, von der auch die Urheber nicht wissen, wozu sie eigentlich dienen soll.
Von Werten war in Wales auch die Rede, doch die Präambel des Nordatlantik-Vertrags von 1949 enthält nur ein vages Bekenntnis zur Demokratie. Der tatsächliche politische Grundkonsens war bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion der Antikommunismus, so dass weder das griechische Obristenregime noch die Putschgeneräle der Türkei einen Ausschluss, eine Suspendierung der Mitgliedschaft oder auch nur Kritik fürchten mussten. Wäre das heute anders? Dass die letzten Wahlen in Ungarn nach Einschätzung der OSZE frei, aber nicht fair waren und dass die türkische Regierung diverse Einschränkungen der Bürgerrechte verfügt hat, ist kein Thema für die Nato. Man bemüht sich im Rahmen der »Partnerschaft für den Frieden« um gute Beziehungen zu den zentralasiatischen Autokratien und hat nichts daran auszusetzen, dass sich in der Ukraine faschistische Milizen am Kampf gegen die Separatisten beteiligen.
Im Ukraine-Konflikt bedienen sich bekanntermaßen Repräsentanten beider Seiten gerne unpassender historischer Analogien. Jenseits der Demagogie gibt es jedoch tatsächlich eine beunruhigende Parallele. Der Westen wird die Bedrohung durch rechtsextreme Bewegungen und Staaten nur ernstnehmen, wenn seine elementaren Interessen bedroht sind und er das rechtzeitig bemerkt.