Profite Uber alles

Der Wandel der Zeiten zeigt sich auch daran, wer Gesetze bricht und warum. In den Jahren um 1970 gab es in westdeutschen Großstädten die Rote-Punkt-Aktion im Rahmen des Kampfes um den Nulltarif in öffentlichen Verkehrsmitteln. Es wurde demons­triert und blockiert, man fuhr in Gruppen ohne Fahrschein und Autofahrer sollten den Roten Punkt an ihrem Fahrzeug anbringen, »als Zeichen dafür, dass Sie bereit sind, Fahrgäste mitzunehmen«. Umsonst natürlich, aber das hielt man damals, als noch von Kommunismus statt von Share Economy die Rede war, für selbstverständlich.
Umsonst geht heute gar nichts mehr, aber billig will der gemeine Deutsche es schon haben und angesichts des sinkenden Lohnniveaus geht der Trend zum Zweit- und Drittjob. Davon profitiert das Unternehmen Uber, es bringt via App Menschen, die einen Fahrdienst anbieten, mit Menschen zusammen, denen eine Taxifahrt zu teuer ist. Das ist ein Verstoß gegen das Personenbeförderungsgesetz, deshalb untersagte das Landgericht Frankfurt in einer einstweiligen Verfügung Uber die Vermittlung von Fahrern. Uber aber meint: »Das Landgericht Frankfurt am Main hat die einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen.« Nicht etwa, weil den Richtern ein juristischer Fehler unterlaufen sei, auf solche Fragen geht man gar nicht erst ein. Das Urteil ist »Unrecht«, weil es den von Uber propagierten marktextremistischen Dogmen widerspricht: »Wir glauben, dass Innovation und Wettbewerb gut für alle sind« und »sich Innovation nicht ausbremsen lassen darf«. Also macht man einfach weiter.
Der kalkulierte öffentliche Gesetzesbruch, früher die Waffe der von ökonomischer und politischer Macht Ausgeschlossenen, wird zum Instrument eines Großkonzerns im Kampf gegen den Rechtsstaat. Mit 17 Milliarden Dollar und Unternehmen wie Google und Goldman Sachs im Rücken geht man kein Risiko ein, wenn man nach dem Motto »legal, illegal, scheißegal« handelt, zumal eine angemessene Reaktion der Bundesregierung wie »Deutschland darf kein rechtsfreier Raum werden« erwartungsgemäß ausblieb. Schließlich ist im Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA vorgesehen, den Unternehmen das Recht zu geben, solche Streitfälle von einem mit ihren Anwälten besetzten Gremium entscheiden zu lassen. Wenn die Interessen der Bourgeoisie über das für gewöhnliche Sterbliche geltende Recht gestellt werden, ist das keine Lappalie, und wenn rechtslibertäre Eiferer nicht einmal diesen Moment abwarten können, sollte man sie daran erinnern, dass die Tür im rechtsfreien Raum wie in einem Saloon des Wilden Westens nach beiden Seiten schwingt. Ein Unternehmen, das Gesetzestreue für überflüssig hält, kann sich ja über Blockaden oder Hackerangriffe schwerlich beklagen. Um es mit den Worten von »Taxi Driver« Travis Bickle zu sagen: »Just flush it down the fuckin’ toilet.«