Die Wahlen in Thüringen und Brandenburg

Österreichische Verhältnisse

Die Wahlen in Thüringen und Brandenburg haben gezeigt, dass die AfD nicht nur klassische Rechte anspricht.

Was in zahlreichen europäischen Ländern bereits traurige Normalität ist, hält nun auch Einzug in die deutsche Parteienlandschaft. Das ist die zentrale Botschaft der Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg. Wenig spricht dafür, dass die Wahlerfolge der »Alternative für Deutschland« ein vorübergehendes Phänomen bleiben. Damit jedoch verschiebt sich der politische Diskurs nach rechts. Was die AfD gefährlich macht, ist, dass sie verschiedene Strömungen vereint. Sie lässt sich beschreiben als eine Mischung aus »Republikanern«, diesmal ohne allzu offensichtlichen NS-Narrensaum auf höherer Funktionärsebene, und FDP ohne den Ballast des Bürgerrechtsliberalismus. In vielem wirkt die AfD wie ein Remake der nationalliberalen FDP der bundesrepublikanischen Anfangsjahre: stramm deutschnational ausgerichtet und rechts der Union zu verordnen. In Österreich gibt es dafür den Begriff »Drittes Lager«, dessen Musterrepräsentant Jörg Haider war. Es steht zu befürchten, dass man sich auch in Deutschland an österreichische Verhältnisse gewöhnen muss. Mit der AfD ist nun auch hier eine Partei entstanden, die gute Chancen hat, längerfristig jenen Platz rechts außen im parlamentarischen System einzunehmen, der in anderen Ländern längst besetzt ist: so in Österreich von der FPÖ, in Schweden von den Sverigedemokraterna, die dort bei der Parlamentswahl am Sonntag mit 12,9 Prozent drittstärkste Partei geworden sind.
Die AfD ist ein Elitenprojekt. Bernd Lucke, Olaf Henkel, Alexander Gauland oder Beatrix von Storch sind alles andere als Anti-Establishment. Trotzdem schaffen sie es, sich als Repräsentanten des Volkszorns gegen »die Etablierten« und »die da oben« zu inszenieren. Der Wiener Publizist Robert Misik spricht von einer »antipolitischen Revolte« der vermeintlich Zukurzgekommenen: zornige weiße Männer, die die kulturelle und ethnische Diversität einer modernen Gesellschaft hassen. Wie schon zuvor in Sachsen waren es auch in Thüringen und Brandenburg überdurchschnittlich viele Arbeiter, die die Rechts­populisten wählten. Offensichtlich ist bei ihnen die Sehnsucht nach den »guten alten Zeiten« besonders ausgeprägt, als die Frau noch am Herd stand und die Volkspolizei für Ruhe und Ordnung sorgte. Die Wahlanalysen zeigen auch: Empfänglich für die schlichten nationalchauvinistischen, antifeministischen, fremdenfeindlichen, sozial­darwinistischen und antiökologischen Botschaften der AfD sind nicht nur »klassische« rechte Wähler. Zulauf erhielt sie fast von allen Parteien. Nur die Grünen scheinen weitgehend immun zu sein.
Von der Linkspartei wechselten etwa ebenso viele Stimmen zur AfD wie von der Union. Die These, es handele sich nur um reine »Proteststimmen«, greift zu kurz. Denn sie unterstellt, dass die Wähler nicht wissen, was sie wählen, also den Unterschied zwischen einer erzreaktionären und einer progressiven Politik nicht erkennen können. Für die Linkspartei wäre das eine bequeme Erklärung. Eine Partei mit emanzipatorischem Anspruch sollte jedoch lieber genau analysieren, welche Überschneidungen in der poli­tischen Praxis – insbesondere der ostdeutschen Landesverbände – mit der AfD es zahlreichen ihrer Anhänger ermöglichten, diesmal so locker rechts zu votieren. Und anschließend sollte sie ihre Poli­tik ändern.