Die Hearings zur Besetzung der EU-Kommission

Stillhalten und durchwinken

Die Anhörungen im EU-Parlament zur ­Besetzung der EU-Kommission sind alles andere als besonders demokratisch.

Der aufregendste Moment war vermutlich, als kurdische Demonstrierende sich Zutritt zum EU-Parlament in Brüssel verschafften, um Unterstützung für die Kämpfenden in Kobanê zu fordern. Ansonsten gab es während der hearings vergangene Woche lediglich künstliche Spannung. Bei diesen Anhörungen prüfen die Abgeordneten, ob die Kandidatinnen und Kandidaten das Zeug zum Mitglied der EU-Kommission haben. Eine sehr »demokratische Übung«, wie viele betonen. Immerhin nimmt das Europaparlament für sich in Anspruch, die demokratischste aller EU-Institutionen zu sein. Die hearings sind einer der Momente, in denen einige EU-Abgeordnete zu demokratischer Hochform auflaufen – und in denen sie so etwas wie Macht ausüben können.
»Gegrillt« wird dennoch kaum jemand. Ein halbwegs routinierter Berufspolitiker hat nicht viel zu befürchten. Denn es geht allenfalls vordergründig darum, die Kandidatinnen und Kandidaten in die Zange zu nehmen. Während sich in den hinteren Rängen manche Abgeordneten abmühen, den Grill anzufeuern, behält man in der Chefetage ihrer Parteien das große Ganze im Blick. Auf dieser Ebene war längst geklärt, dass keiner der Wackelkandidaten der beiden großen Parteien, der Sozialdemokraten und der christlich-konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), bei den Anhörungen durchfallen würde. Als dann das Votum über die besonders umstrittenen Kandidaten – darunter die Nominierungen des spanischen Konservativen und Ölmanagers Miguel Arias Cañete als Klimaschutz- und Energiekommissar, des ungarischen Fidesz-Poilitikers Tibor Navracsics als Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Bürgerschaft und Pierre Moscovicis von der französischen Sozialistischen Partei als Wirtschaftskommissar – verschoben wurde, sahen manche eine Rückkehr zu einem demokratischen Prozess. Das Parlament sei aufgewacht, freute sich Rebecca Harms, Vorsitzende der Europäischen Grünen. Der Stillhaltepakt zwischen Sozialdemokraten und EVP funktioniere nicht mehr und dies sei »gut für die Demokratie«.
Das Gegenteil war wohl eher der Fall. Parteistrategen hatten erfolgreich verhindert, dass jeweils unmittelbar nach der Anhörung der Kandidaten abgestimmt wurde. Die gleichzeitig angesetzten Abstimmungen waren nun eine Garantie dafür, dass beim Spiel »Ich stimme nicht gegen deinen Kandidaten, wenn du meinen durchkommen lässt« niemand mogeln würde. Offensichtlich wurde der schwarz-rote Deal, als die Mehrheit der Abgeordneten der slowenischen Kandidatin die Zustimmung verweigerte. Die Liberale Alenka Bratušek lieferte bei ihrer Anhörung zwar keine gute Show, doch der deutsche Konservative Günther Oettinger präsentierte sich mitnichten fachlich versierter. Seine weitere Karriere als EU-Kommissar stand jedoch nie auf dem Spiel. Eine Vertreterin eines kleinen Landes schien hingegen geeignet, dafür zu sorgen, dass das Parlament nicht sein Gesicht verliert. Schließlich konnte man unmöglich alle Kandidaten durchwinken.
Schade, dass es nicht einmal lustig wurde, als Martin Sonneborn von »Die Partei« versuchte, den designierten EU-Kommissar für digitale Wirtschaft bloßzustellen. Oettinger schaffte das alleine viel besser, indem er auf unverfänglichere Fragen seine großen Wissenslücken preisgab.