Das Verhältnis der deutschen Neonazis zu den Hogesa

Eine Liebe mit zaghafter Erwiderung

Die extreme Rechte in Deutschland ist angesichts der eigenen Schwäche begeistert vom Auftreten der »Hooligans gegen Salafisten«. Diese sind über Vereinnahmungsversuche nicht erfreut – allerdings nicht aus ideologischen Gründen.

Beinahe ist es so, als würde sich ein Kreis schließen. 1983 rief der damalige Anführer der Aktionsfront Nationaler Sozialisten, Michael Kühnen, dazu auf, verstärkt in den Fankurven der Fußballvereine Nachwuchs für den politischen Straßenkampf zu rekrutieren. Zuletzt schaute die extrem rechte Szene in Ehrfurcht nach Köln, wo am 26. Oktober unter dem Label »Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa) etwa 4 500 überwiegend gewaltbereite und offen rassistische rechte Schläger aufmarschierten – während sich die Teilnehmerzahlen bei Naziaufmärschen in den vergangenen Jahren stetig verringerten und die NPD anhaltend schlechte Wahlergebnisse erzielte.
So zeigt sich der rechte Rand beeindruckt von der Dynamik der Hogesa und nahezu alle extrem rechten Gruppen versuchen, in der einen oder anderen Weise auf den Zug aufzuspringen – sofern sie nicht ohnehin von Anfang an dabei waren. An verschiedenen Orten sind unterschiedliche Organisationen der extremen Rechten mit den Hogesa verbunden. In Dortmund und Aachen etwa sind Mitglieder der Partei »Die Rechte« involviert, in Mönchengladbach dagegen sind es Anhänger von Pro Deutschland und der Identitären Bewegung.
Auch die süddeutsche Kleinstpartei »Der III. Weg« war in Köln vertreten, genauso wie die German Defence League (GDL), die NPD und et­liche Kameradschaften. Es wäre jedoch falsch, diese Gruppen und Parteien als treibende Kräfte der Bewegung zu verstehen. Es besteht vielmehr ein durchaus gespanntes Verhältnis zwischen der etablierten extremen Rechten und einer beträchtlichen Zahl von inzwischen in die Jahre ­gekommenen ehemaligen Kadern, die zwar immer noch ein extrem rechtes Weltbild haben, mit Parteipolitik aber nichts mehr zu tun haben wollen. Gerade unter denjenigen, die in der Frühphase des Zusammenschlusses, der später Hogesa getauft wurde, den Ton angaben, waren solche ehemaligen Kader prominent vertreten.
Viele von ihnen waren früher Hooligans oder gehören immer noch zu der Szene. Nicht wenige dieser alten Hooligans haben sich weitere Betätigungsfelder gesucht. Ein Gutteil arbeitet in Sicherheitsfirmen, andere gehören zum kriminellen Milieu, einige bewegen sich in der Kampfsportszene und eine beträchtliche Zahl steht der Rockerszene nahe. Sie sind also überall dort zu finden, wo die archaische Männerwelt noch intakt ist.
Es ist nicht zu bestreiten, dass der Aufmarsch in Köln ein Ereignis von großer Tragweite war. Auch weil die Polizei mit viel zu wenig Personal vor Ort war, kam es zu Ausschreitungen, die »eindeutig über das bisher bekannte Maß« hinausgingen, wie Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) eingestand. Er warnte zutreffend vor einer »neuen Gefahr«, seine Aussage, nur etwa zehn Prozent der Teilnehmer seien »vom Verfassungsschutz beobachtete Rechts­extremisten« gewesen, zeigt jedoch einmal mehr, in welchem Maße der Verfassungsschutz die ­extreme Rechte systematisch unterschätzt.

Für die etablierte extreme Rechte sind die Hogesa ein Segen. Endlich scheint es wieder eine Kraft zu geben, die in der Lage ist, etwas zu bewirken – ganz so wie Anfang der Neunziger, als rassistische Pogrome zur nicht weniger rassistischen Aushöhlung des Grundrechts auf Asyl führten. Zwar bemüht sich gerade die NPD landauf, landab überall dort, wo Asylbewerber untergebracht werden sollen, mit rassistischer Hetze Stimmung zu machen und hat damit auch manchmal Erfolg. Mit Ausnahme der Vorfälle in Schneeberg und Berlin-Hellersdorf jedoch schafft sie es dabei kaum in die überregionalen Medien. Die Hogesa haben hingegen die Nachrichten bestimmt wie sonst höchstens noch der Streik der Lokführer.
Es ist daher wenig verwunderlich, dass der Cottbusser NPD-Kader Ronny Zasowk nach dem Aufmarsch in Köln umgehend einen Text auf der Internetseite seiner Partei veröffentlichte, der vor Pathos nur so strotzt. »Vielleicht wird man sich in vielen Jahren an den 26. Oktober 2014 erinnern, weil an diesem Tag Tausende national gesinnte Deutsche auf die Straße gingen«, heißt es da. Zasowk, der selbst eher wie ein braver Bürger denn wie ein Hooligan wirkt, sucht hier den Schulterschluss. Der Versuch der Vereinnahmung ist in dem Solidaritätsschreiben an die Hogesa offensichtlich.
Auch das rassistische Blog »PI-News« widmet sich intensiv dem Thema Hogesa und zeigt sich dabei mehr als wohlwollend. Passend dazu warb auf der Internetseite eine Anzeige für den geplanten Aufmarsch am 15. November in Hannover, der jedoch behördlich verboten wurde. Die Junge Freiheit dagegen äußert sich schon etwas zurückhaltender. Zwar hat man auch hier Verständnis dafür, dass »einheimische Weiße sich auch handgreiflich gegen die geistige Enteignung ihres Landes durch Islamisierung und Multikulturalisierung wehren«, an der proletarischen Raubeinigkeit der Protagonisten scheint man sich dann aber doch etwas zu stören.
Auch auf dem neonazistischen Internetportal Altermedia ist das Thema Hogesa allgegenwärtig. Sogar die Auflagen der Polizei wurden dort vor der Demonstration in Köln veröffentlicht. Ein dort bereits am 10. Mai veröffentlichter Text der Partei »Der III. Weg« dürfte auch der erste sein, in dem explizit von »Hooligans gegen Salafisten« gesprochen wurde, nämlich in der Überschrift, und das ungefähr zwei bis drei Monate, bevor sich diese Bezeichnung tatsächlich etablierte.
Auch in den jeweiligen Kommentarspalten dieser Medien geht es betriebsam zu. Während auf Altermedia abgesehen von den üblichen rassistischen Gewaltphantasien vornehmlich Taktiken für die nächsten Demonstrationen diskutiert werden, gibt es bei »PI-News« und der Jungen Freiheit vor allem Medienschelte zu lesen, während ein Teil der Leserschaft kontrovers diskutiert, wie die Alternative für Deutschland (AfD) sich zu den Hogesa verhalten solle. Einige folgen dabei der offiziellen Parteilinie, sich von den Hooligans zu distanzieren. Andere jedoch sehen bei den Ho­gesa genau jenen vermeintlich gesunden deutschen Volkszorn, der auch die AfD in die Parlamente gespült hat.

Die Hooligans selbst wollen von alledem meist wenig wissen. Hogesa ist ihr Ding und sie wollen es sich nicht von den Sesselpupsern mit Parteibuch kaputtmachen lassen. Das wird besonders deutlich bei dem Hamburger Hooligan und ehemaligen NPD-Kader Thorsten de Vries, der auch in Köln als Redner auftrat. In einem Kommentar auf Facebook schrieb er, gerichtet an Pro Deutschland, GDL und »PI-News«: »Eure unfähige BRD-Bürgerrechtsbewegung wird von uns keine zweite Chance erhalten.«
Parteimitglieder werden von den Hooligans nur geduldet, wenn sie auch zu Gewalttaten bereit sind. Für etliche Vertreter von »Die Rechte« und der NPD trifft das durchaus zu, denn immerhin ist das Personal beider Parteien vielerorts nahezu identisch mit der lokalen Kameradschaftsszene. Einem Anzugträger wie Udo Voigt oder Udo Pastörs hingegen würden Hooligans wohl weniger Gehör schenken. Sie sehen sich selbst als schlagkräftige Elite, als Vorkämpfer für ein sauberes Deutschland. Wer mitmachen will, soll sich bitte schön hinten anstellen und nur den Mund aufmachen, wenn er gefragt wird.