Die »Steueroase« Luxemburg

Wer hat’s erfunden?

Die neuerdings kritisierte Praxis der Steuervermeidung in Luxemburg ist politisch erwünscht.

Nun will es niemand gewesen sein. Sogenannte Steuerparadiese zu erschaffen ist nichts, womit man sich in Krisenzeiten brüsten kann. So kommt es, dass einer, der sich früher gerne als geistiger Vater des Finanzplatzes Luxemburg ausgegeben hat, heute das Gegenteil behaupten muss. Er sei nicht der Architekt des Luxemburger Steuermodells, beteuerte der amtierende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel, nachdem er aufgrund der jüngsten Veröffentlichungen über die Steuerpraktiken in Luxemburg in die Kritik geraten war.
Die durchaus bemerkenswerte Leistung des Luxemburgers, der 18 Jahre lang das Großherzogtum als Premierminister regierte und 20 Jahre lang Finanzminister war, einen nicht unwesent­lichen Teil des globalisierten Kapitals der Großunternehmen durch den Kleinstaat zu schleusen, bringt ihm derzeit kaum Anerkennung ein. Das hat Juncker längst erkannt. Und weil er nun glücklicherweise nicht mehr in Luxemburg, sondern in Brüssel regiert, dreht er den Spieß um und argumentiert jetzt so: Da solche Steuerumgehungsstrategien völlig konform mit europäischem Recht seien, müssten die EU-Staaten sich zusammentun, um den steuerflüchtigen Privatkonzernen gemeinsam das Handwerk zu legen.
Dass dies kaum passieren wird, weiß Juncker nur zu gut. Steuerfragen unterliegen nach wie vor der Hoheit der Mitgliedstaaten, und unter anderem sein Land, Luxemburg, machte mehr als einmal von seinem Vetorecht Gebrauch, um gemeinsame Gesetze zu verhindern.
Doch Luxemburg ist nicht das einzige EU-Mitglied, das sich sträubt. Dabei geht es nicht allein darum, die nationale Souveränität in Steuerfragen zu verteidigen. Die Existenz von Steueroasen innerhalb der EU ist durchaus erwünscht. Dies ist ein Grund dafür, dass sich europäische Politiker mit allzu harscher Kritik am Großherzogtum zurückhalten. Denn zuweilen nutzt man Luxemburg selbst gerne als günstigen Anlageplatz. Kommunen wie die Stadt Köln tun es, renommierte deutsche Finanzinstitute wie etwa die Deutsche Bank tun es und selbst die Bundesregierung hat es getan.
Dieser Umstand straft die Schwarzweißmalerei so mancher Analysen Lügen. Etwa die des NDR-Journalisten, der beklagt, dass die vom Luxemburger Fiskus nicht einkassierten Steuern in den Kassen deutscher Städte fehlten und darauf auch der schlechte Zustand mancher Häuser in Gelsenkirchen zurückzuführen sei. Ähnlich tiefschürfend sind die Schuldzuweisungen an Juncker, der als Chef der Euro-Gruppe die schärfsten Sparmaßnahmen unterstützen konnte und somit Menschen in Griechenland vieles abverlangte, jedoch zu Hause Großunternehmen Steuerfreiheit gewährte. Wer hierin einen Widerspruch sieht, hat das Ganze aus den Augen verloren.
Tatsache ist, dass gerade Deutschland auch von einer Steueroase innerhalb der EU profitiert. Konzernen, denen man im eigenen Land keine Steuervergünstigungen zugestehen mag, konnte man zumindest ein Schlupfloch innerhalb der EU anbieten. Ganz legal. Schon allein deswegen wird sich eine harmonisierte Steuerpolitik in der EU kaum durchsetzen. Wieso auch? Die europäische Arbeitsteilung hat auf diesem Gebiet bislang ganz gut funktioniert.