Der Prozess gegen Antifaschisten in Frankfurt

Richterin Gnadenvoll

Mehrere Tausend Antifaschisten verhinderten am 1. Mai 2013 einen Naziaufmarsch in Frankfurt am Main. Nun, eineinhalb Jahre nach der Blockade von Straßen und Gleisen, müssen sich etwa 100 von ihnen dafür vor Gericht verantworten.

Der 1. Mai 2013 war ein erfolgreicher Tag für die antifaschistische Linke in Frankfurt: Der angekündigte Aufmarsch der NPD »gegen Euro und Großkapital« am Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) im Frankfurter Ostend wurde verhindert. Der von der Polizei vorgeschlagene Versammlungsort war nicht nur wegen der Nähe zum EZB-Gebäude symbolträchtig. Die Auftaktkundgebung sollte unmittelbar neben dem Gelände der ehemaligen Großmarkthalle stattfinden, von wo aus die Nationalsozialisten Tausende Jüdinnen und Juden aus dem Frankfurter Stadtgebiet deportiert hatten.
Was an diesem 1. Mai geschah, ist bekannt: Über 1 000 Menschen blockierten die Gleise vor dem Frankfurter Ostbahnhof, einem Verkehrsknotenpunkt für den Schienenverkehr im Rhein-Main-Gebiet, legten somit für lange Zeit den Verkehr lahm und verhinderten die Anreise von knapp 200 Neonazis zum Ort der Kundgebung. Die Polizei kesselte die Blockierenden ein, stellte unter teils heftigem Einsatz körperlicher Gewalt deren Personalien fest, filmte sie und nahm einige von ihnen in Gewahrsam. Die Brutalität des Vorgehens und die Erhebung möglichst vieler persönlicher Daten von Antifaschisten stehen im Kontext eines Klimas, in dem das seit Jahrzehnten besetzte, selbstverwaltete »Institut für vergleichende Irrelevanz« durch einen trickreichen Verkauf an eine Immobilienfirma, juristische Kniffe und einen gewaltsamen Polizeieinsatz geräumt wurde. Es folgten wochenlange Proteste und Hausbesetzungen – da bot die Einkesselung Hunderter Antifaschisten eine gute Gelegenheit, um die Datenbanken aufzufrischen und Stärke zu zeigen.
Einige Zeit später standen mehrere Antifaschistinnen und Antifaschisten vor Gericht und mussten sich wegen verschiedener Vergehen verantworten. Alle Verfahren, von Körperverletzung bis zu Beleidigung – ein Antifaschist sollte einem Polizisten durch einen Schlag auf den Helm Kopfschmerzen bereitet und ihn durch den Ausruf »Scheißbulle!« beleidigt haben –, wurden eingestellt. Alle Blockierenden erhielten das Angebot der Bundespolizei, mit der Zahlung eines Verwarngeldes in Höhe von 35 Euro ein Bußgeldverfahren zu verhindern. Dem kamen beinahe 100 von ihnen nicht nach und verweigerten auch anschließend, das Bußgeld von 65 Euro wegen »unbefugten Betretens der Gleisanlagen« zu zahlen.
Dafür müssen sie sich nun vor dem Amtsgericht Potsdam rechtfertigen, da die Gleisanlagen in der Zuständigkeit der Bundespolizei mit Sitz in Potsdam liegen. Vor dem Amtsgericht spielt sich immer das gleiche Szenario ab: Die Richterin oder der Richter eröffnet den Fall, die oder der Angeklagte verliest eine Erklärung, in der die Kriminalisierung antifaschistischer Arbeit und die Verharmlosung rechtsextremer Gewalt kritisiert wird. Anschließend folgt eine Belehrung darüber, dass politisches Engagement eben Grenzen habe, egal, wie »ehrenvoll« der Anlass sei. Manchmal kommt es sogar zu genervten Bitten darum, beim nächsten Mal »woanders hinzugehen« und »irgendwelche Straßen« zu blockieren. Dann wird das Verfahren eingestellt.

»Die Verhinderung des Naziaufmarschs durch die Blockade der Zufahrtswege war ein großer Erfolg«, resümiert Johanna Kirschbaum vom Frankfurter Betroffenenplenum. »Allerdings hätte der Widerstand gegen die Repression in Form von Bußgeldzahlungen und Verwarngeldern durchaus geschlossener und entschiedener ablaufen können.« Der Erfolg der Blockaden und der Verweigerung von Bußgeld- oder Verwarngeldzahlung wird aber ein klein wenig getrübt. Die hohen Kosten und der Aufwand für die Anreise nach Potsdam schrecken davon ab, sich weiter zu wehren.