Gewerkschafter solidarisieren sich mit Flüchtlingen

Kollegen aus Lampedusa

Die Solidarität mit Flüchtlingen ist in DGB-Gewerkschaften nicht selbstverständlich. Linke Gewerkschafter wollen das ändern.

»Refugees welcome« stand auf ihren T-Shirts und Plakaten. So bekundeten junge Gewerkschaftsmitglieder Anfang Dezember auf dem Jugendforum der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen ihre Meinung. Dass diese auch in den DGB-Gewerkschaften nicht überall geteilt wird, hatten Geflüchtete Anfang Oktober selbst erfahren. »Wir haben die Zentrale des DGB-Landesbezirks Berlin-Brandenburg besetzt, weil wir Solidarität erwarteten. Doch wir wurden geräumt. Zahlreiche unserer Freunde wurden dabei verletzt. Wir saßen stundenlang in Polizeihaft und jetzt erwarten uns Anklagen wegen Hausfriedensbruchs.«
So schilderte ein Mitglied der Besetzergruppe auf einer Veranstaltung in Berlin Anfang Dezember die Erfahrungen mit der DGB-Bürokratie. Diese sei gar nicht träge gewesen, als es darum ging, mit den Vorständen sämtlicher Einzelgewerkschaften den Räumungsbeschluss abzustimmen. Die Forderung der Geflüchteten, den Kontakt mit den Einzelgewerkschaften herzustellen, um sich deren Unterstützung zu versichern, sei angeblich aus organisatorischen Gründen nicht zu erfüllen gewesen. Dass der Geflüchtete aus der Besetzergruppe seine Erfahrungen im großen Saal der Berliner IG Metall vortragen konnte, zeigt allerdings auch, dass nach der Räumung in den DGB-Gewerkschaften die Auseinandersetzungen über die Flüchtlingspolitik zugenommen haben.

In Berlin hatte sich im September auf Initiative des an der Basis arbeitenden Zusammenschlusses »Verdi aktiv« eine Gruppe linker Gewerkschafter für die stärkere Unterstützung der Kämpfe von Geflüchteten eingesetzt. Doch erst nach der Räumung der DGB-Zentrale bekam die Initiative größeren Zuspruch. Die Veranstaltung Anfang Dezember war ihr erster öffentlicher Auftritt.
»Ich bin Flüchtling und Verdi-Mitglied«, sagte auch der zweite Redner der Veranstaltung. Asuquo Udo ist in Nigeria geboren und hat jahrelang in Libyen den Lebensunterhalt für sich und seine Familie verdient. »Der Nato-Krieg hat mich zur Flucht gezwungen«, fügt er hinzu. Über Italien kam er nach Hamburg, wo er sich in der Flüchtlingsselbstorganisation »Lampedusa Hamburg« engagierte. »Wir haben deutlich gemacht, dass wir Teil der Gesellschaft sind«, so Udo. Daher waren er und seine Mitstreiter erfreut, dass der Hamburger Verdi-Sekretär Peter Bremme den Flüchtlingen die Mitgliedschaft auch gegen den Widerstand des Verdi-Vorstands anbot. Auf der Website von »Lampedusa-Hamburg« ist neben den Mitgliedern der Beruf vermerkt, den sie vor der Flucht ausgeübt haben. Für Udo ist das sehr wichtig. »Es zeigte uns nicht als hilfsbedürftige Flüchtlinge, sondern als Kollegen.«
Für die Initiatoren der Berliner Veranstaltung hat die Forderung nach einer Gewerkschaftsmitgliedschaft von Geflüchteten eine antirassistische Komponente. Anna Basten vom Arbeitskreis »Undokumentierte Arbeit«, der Menschen ohne Papiere bei der Durchsetzung ihrer Arbeitsrechte unterstützt, sagt, dass Anträge für den Verdi-Bundeskongress im nächsten Jahr vorbereitet werden, die eine Gewerkschaft von Geflüchteten fordern. Wie die Gewerkschaftsvorstände reagieren werden, ist nicht absehbar. Der Berliner Veranstaltung blieben sie fern. Roland Tremper vom Berliner Verdi-Vorstand hatte zugesagt, nachdem der Termin eigens seinem Kalender angepasst worden war, kam aber trotzdem nicht.

Vielleicht diskutieren manche Verdi-Mitglieder ohnehin lieber über andere Dinge, wenn es um Migration geht. Im Verdi-Bildungszentrum Haus Brannenburg wird ein Seminar mit dem Titel »Der europäische Traum zwischen Migration, Integration und Wertekonsens« angeboten. Der Ankündigung zufolge soll über »Zuwanderungsformen, die Akzeptanzprobleme sowie soziale und kulturelle Verwerfungen« diskutiert werden.