Über Bord

Ich komme ja zu nichts. Wenn manchmal doch, lese ich Zeitung, weil Lesen un­gemein bildet. Die Zeit zum Beispiel hatte letztens diese Superstory mit einem sehr großen Boot, das unter feindlichen Beschuss gerät: »Kleine Angriffe können der schwimmenden Festung nichts anhaben, und kommt doch mal ein Torpedo, dann schließt man einfach ein paar Schotten und fährt weiter. Doch irgendwann, wenn die Angriffe zunehmen und zu viele Treffer erzielt werden, dann geschieht das Unerhörte: Das mächtige Schiff sinkt.« Spannend, nicht? Ein wenig traurig war ich, als sich herausstellte, dass es gar nicht um Schiffe geht in dem Artikel, sondern um einen ökonomischen Glaubenssatz, aber da kommt eben wieder die Bildung ins Spiel: »Hat sich ein ökonomischer Glaubenssatz erst mal etabliert, dann ist er wie ein Flugzeugträger.« Zack: Vergleich, Parabel, Bildung, wieder was gelernt. Allerdings wurde es dann verwirrend, weil der ökonomische Glaubenssatz, der hier als Flugzeugträger unter Beschuss gerät und dann unerhörterweise sinkt, offenbar jener ist, dass mehr Bildung besser sei.
Seit der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) bekanntgegeben hat, dass die Unternehmen gar nicht so viele Uniabsolventen brauchen, wie momentan produziert werden, kann man das immer wieder lesen: Wir haben zu viele Studierende. Dabei liegt den studierten Menschen, die solches schreiben, vor allem das Wohl der jungen Generation am Herzen, denn auch die Löhne der Akademiker sinken. Uwe Jean Heuser, der Autor der Hammerflugzeugträgerparabel, hat letztens Piketty gelesen und glaubt jetzt, dass das vielleicht irgendwas mit dem Dings, dem Kapitalismus zu tun haben könnte oder auch mit Digitalisierung oder jedenfalls mit Computern. Und siehe, da kommt ihm auch schon die Lösung des Problems, und gerne erklärt er die Logik dahinter: »Die Logik dahinter: Auch wenn die Computer vielleicht Me­diziner in der Diagnose ersetzen, so doch nicht Krankenschwestern.« Mehr Bildung ist also wirklich nicht besser, denn warum sollte man sich als schlecht bezahlte Ärztin abrackern, wenn man es sich auch als Krankenpfleger gut gehen lassen kann?
Auch Sascha Spoun nickt: »Sascha Spoun nickt. Als Präsident der Leuphana-Uni in Lüneburg denkt er an Qualität, nicht Quantität. Durch Auswahlverfahren und Konzentration auf Kernfächer hat er die Zahl der Studenten verkleinert. (…) Als Hauptaufgabe müssten Bildungspolitiker den Anteil der jungen Leute verringern, die gar keine Berufsausbildung erreichen. Aber ob nun ein großer Teil in die Lehre gehe oder auf die Fachhochschule, sei letzten Endes egal.« Vor allem Spoun, als Präsident der Leuphana-Uni. Der Flugzeugträger ist voll, ­irgendwer muss über Bord gehen. Und Menschen wie Spoun und Heuser werden schon dafür sorgen, dass es nicht ihr qualitativ hochwertiger Nachwuchs sein wird.