Gegen die Lobby

Nazivergleiche wirken inzwischen etwas verstaubt. Da muss etwas Frischeres her. Und was ist derzeit schon knackiger als die hippen Social-Media-affinen Jihadisten des »Islamischen Staats« (IS)? Eben. Wer Israel heute topaktuell dissen will, muss da schon zu moderneren Mörderbanden als Vergleichsgröße greifen. Mit »Israel« und »Isis« lassen sich auch einfacher Wortspiele basteln. Dies mag der US-amerikanische Journalist Chris Hedges gedacht haben, als er Mitte Dezember auf der US-Nachrichtenseite Thruthdig.org einen Artikel veröffentlichte, in dem er den IS mit Israel verglich. Ersterer sei »derzeit das einzige Beispiel für erfolgreiches nation building« im Nahen Osten. Sein Streben nach einem »ethnisch reinen sunnitischen Staat« spiegele das Streben nach einem jüdischen Staat wider, der »1948 schließlich aus Palästina geschnitzt wurde«. Schließlich ähnle auch die Taktik des IS »sehr den jüdischen Guerillagruppen, die Gewalt, Terrorismus (…) sowie erschreckende ethnische Säuberungen und Massaker an Hunderten arabischen Zivilisten nutzten, um Israel zu gründen«. Und wie der IS wollten »die Zionisten in Palästina einen utopischen, religiösen Staat« gründen.
Von einem Reporter wie Hedges, der in Jerusalem und Kairo lebte und jahrelang das Nahostbüro der New York Times leitete, kann man ja nicht verlangen, dass er sich mit der Geschichte Israels auskennt. Dennoch wurde der 58jährige nach der Publikation seiner kruden Thesen von der University of Pennsylvania als Redner einer für den 3. April geplanten Konferenz zu Frieden im Nahen Osten wieder ausgeladen. Daraufhin schlug der Unterstützer der antiisraelischen BDS-Kampagne in seiner wöchentlichen Kolumne auf Truthdig.org gegen die »Israellobby« zurück. Er beschwerte sich, dass mutige Kritiker wie er, Norman Finkelstein (»Holocaust-Industrie«) und Max Blumenthal (»Toilettengate«), von dem Hedges sich den IS-Israel-Vergleich abgeschaut haben mag, an Universitäten in den USA zum Schweigen gebracht würden, um die »zionistischen Geldgeber zufriedenzustellen«. Denn »die Israellobby fürchtet vor allem Fakten«, weiß Hedges. Da hat sie von ihm glücklicherweise wenig zu befürchten. Es sei denn, Israel setzt seine Devise »Tod allen Ungläubigen« auch gegen Hedges um, der im Oktober 2014 zum presbyterianischen Priester geweiht wurde. Ach nein, das war ja das Motto des IS – kann man schon mal verwechseln.