Rechte Hetze und Anschläge gegen Journalisten

Journalismus ist Vaterlandsverrat

Bei Pegida und den Montagsdemonstrationen zetert man nur über die »Lügenpresse«. Nazis gehen auch gewaltsam gegen Journalisten vor, wie der Brandanschlag auf das Auto eines Berliner Fotografen zeigt.

Eines der liebsten Feindbilder der extremen Rechten sind Journalisten. Gleich mehrfach machten in den vergangenen Wochen Angriffe auf kritische Berichterstatter bundesweit Schlagzeilen. Am Rande mehrerer rassistischer »Montagsdemonstrationen« gegen die Unterbringung von Geflüchteten in den Berliner Stadtteilen Hellersdorf, Köpenick und Buch im November wurden Pressevertreter bedroht und behindert. Die Polizei griff nicht ein, obwohl es zeitweise sogar zu regelrechten Jagdszenen gekommen sein soll.

Am Wochenende nach Weihnachten dann zündeten Unbekannte nicht nur das Auto des SPD-Politikers Peter Scharmberg im als Nazihochburg geltenden Berliner Ortsteil Rudow an, sondern auch den Wagen eines Bildjournalisten in Adlershof. »Zwischen den Brandstiftungen liegen laut Polizei 25 Minuten, ein Radfahrer benötigt für die Fahrt von Adlershof nach Rudow 15 Minuten«, heißt es in einem Bericht des Tagesspiegel. Ein Zusammenhang zwischen beiden Taten liegt nahe, zumal beide Betroffenen für ihr Engagement gegen Nazis bekannt sind.
Im Fall des Bildjournalisten war es nicht der erste Brandanschlag. Bereits im April wurde sein Auto in Brand gesteckt. Der oder die Täter wurden bislang nicht ermittelt. Im November befanden sich der Name und ein Portraitfoto des Journalisten auf einer von Nazis im Internet verbreiteten Warnung mit der Überschrift »Achtung Antifa-Fotografen«. Neben ihm waren noch die Namen und Gesichter von 17 weiteren Kollegen zu sehen, alle von ihnen offenbar aus dem Großraum Berlin-Brandenburg.
Auch mehrere Politiker der NPD verbreiteten das Bild in sozialen Netzwerken. Einige von ihnen hätten inzwischen Unterlassungserklärungen unterzeichnet, teilte Björn Kietzmann, einer der Abgebildeten, dem Tagesspiegel mit. Die Erklärungen schützen jedoch bestenfalls vor der weiteren Verbreitung der augenscheinlich einem Fahndungsplakat nachempfundenen Warnung. Dass sie sich wahrscheinlich längst auf zahlreichen Festplatten gewaltbereiteter Neonazis befindet, ist damit nicht zu ändern.
Wer über die extreme Rechte und ihre Umtriebe berichtet, gerät nicht nur in Berlin leicht in deren Visier. Das mussten im September auch die Redakteure der Lausitzer Rundschau erfahren. Gleich zweimal wurden Redaktionsgebäude der Zeitung besprüht. In Lübbenau und Spremberg schmierten Unbekannte unter anderem Hakenkreuze und das Wort »Jude« an die Fenster. »Wir kriegen euch alle«, hieß es darüber hinaus in Sprem­berg.

Der Hass auf die Presse ist in der extremen Rechten traditionell weit verbreitet. Schon im Stürmer war immer wieder von der »Judenpresse« die Rede. Gemeint waren damit meist alle Publikationen, die nicht nationalsozialistisch oder zumindest rechtskonservativ und völkisch waren. Auch außerhalb extrem rechter Kreise hält sich immer noch hartnäckig die Vorstellung, Jüdinnen und Juden hätten einen übergroßen Einfluss auf Medien und Presse. Spätestens wenn es um den Nahostkonflikt geht, fallen derlei Bemerkungen gerne auch weit abseits alt- und neurechter Stammtische. Häufiger ist dieser Tage jedoch der Begriff »Lügenpresse« anzutreffen. Er klingt deutlich unverfänglicher, kommt jedoch aus der gleichen Ecke wie die Diffamierung »Judenpresse« und ist nicht selten auch von ähnlichen antisemitischen Vorstellungen getragen.
»Lügenpresse, halt die Fresse«, hallt es zurzeit regelmäßig auf den montäglichen Demonstrationen von Pegida in Dresden, aber auch bei den Aufmärschen der Hogesa und auf kleineren rassistischen Demonstrationen gegen Geflüchtete. Doch dieser Spruch ist alles andere als neu. Unter anderem wurde er bereits 2012 an die Fenster der Lokalredaktion der Lausitzer Nachrichten in Sprem­berg gesprüht, die auch nun wieder beschmiert wurden. Damals wie heute kann mit großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Täter aus der Neonaziszene stammen. Auch die Brandanschläge im Dezember in Berlin dürften mit großer Wahrscheinlichkeit von Personen aus dem extrem rechten Milieu begangen worden sein. Wer sonst hätte gerade diese beiden Ziele für seine Brandanschläge ausgesucht?
Hetze gegen die vermeintliche »Lügenpresse« ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal der Neonaziszene. Im Zuge der Pegida-Demonstrationen etwa ist der Begriff auch von Menschen zu hören, die sicher keine ideologisch gefestigten Nazis, sehr wohl aber Rassisten und häufig auch Antisemiten sind. Historisch betrachtet ist die Parole auch keine Erfindung der Nationalsozialisten, sondern ein Kampfbegriff, der sich schon früh im gesamten Milieu der Rechten einer hohen Beliebtheit erfreute, von Kaisertreuen über Bürgerlich-Konservative bis zu Nationalrevolutionären. Christian Buggisch zeigt in einem Artikel auf publikative.org anhand einer Analyse von Google Books, dass der Begriff »Lügenpresse« seine größte Verbreitung stets zu Kriegszeiten, genauer während des Ersten und Zweiten Weltkriegs hatte. »Lügenpresse ist unpatriotische Presse«, so Buggisch. »Wäre der Begriff noch salonfähig, hätte Pegida die Journalisten auch als ›Vaterlandsverräter‹ bezeichnen können.«
Dass die Weltsicht derer, die gegen die »Lügenpresse« stänkern, überaus simpel ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass für sie die Lausitzer Rundschau, die FAZ, ARD und RTL gleichermaßen »die Presse« sind. Dass ihnen hingegen gerade ein staatlich gelenkter Medienkonzern wie Russia Today als unabhängig gilt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Wie problemlos die Vorstellung von der »Lügenpresse« auch unter den vermeintlich besorgten Bürgern bei Pegida und Montagsdemonstrationen verfängt, zeigt nur, wie weit rechts diese Leute tatsächlich stehen. Ihr tatsächliches Feindbild ist nicht einfach die herbeiphantasierte Islamisierung oder die Aufnahme Geflüchteter. Was sie ablehnen, ist jede Form von Diversität, die über die Wahl zwischen Schwarz- oder Graubrot hinausgeht. Sie wünschen sich eine einfache, eindimensionale Welt, in der die Gesellschaft nicht auf Gleichheit, sondern auf Gleichartigkeit basiert.

Mit einem solchen Weltbild wird es logischerweise schwierig, die Komplexität von Gesellschaft, Ökonomie und Politik zu begreifen. Wenn die Medien es dann wagen, komplexe Antworten zu geben, anstatt wahlweise allem vermeintlich Fremden oder »denen da oben« beziehungsweise auch beiden auf einmal die Schuld zuzuschieben, ist für Menschen vom Schlag der Anhänger der Pegida und der Montagsmahnwachen schnell klar, dass die Presse nur an der Verschwörung dunkler Mächte gegen das imaginierte »Wir« beteiligt sein kann. Hier wird die inhaltliche Nähe zu antisemitischem Denken mehr als offensichtlich. Und auch das hat ja in Deutschland Tradition.