Das »Dschungelcamp« dieses Jahr keinen Spaß

Ödes Camping

Das neue Jahr beginnt unschön. Nicht mal das »Dschungelcamp« macht noch Spaß.

Bedauerlicherweise gibt es kein Grundrecht darauf, unterhalten zu werden. Das ist gerade in Zeiten, in denen nicht nur die Horden der Finsternis die Schlagzeilen dominieren, sondern auch Irrsinnige jeglicher Coleur sich anscheinend im Geheimen darauf verständigt haben, nicht etwa schön in Reihenfolge nacheinander durchzudrehen, sondern alle auf einmal, sehr schade. Fassungslos auf den Fernseh- oder den Bildschirm starren und konstatieren, dass bereits nach rund 25 Tagen feststeht, dass dieses 2015 kein gutes Jahr wird, und dann auch noch am ersten Tag der neuen Staffel von »Ich bin ein Star, holt mich hier raus« feststellen, dass das diesjährige Dschungelcamp nur zum allgemeinen Elend beiträgt, statt davon wenigstens ein Stündchen pro Tag abzulenken, das ist nicht schön. Das ist ganz und gar nicht schön, um genau zu sein. Womit wir bei der Frage sind, was diejenigen, die für den Einkauf abgehalfterter oder noch nie welche gewesener Stars zuständig sind, eigentlich das ganze Jahr über so treiben.
Dass man die meisten Dschungel-Kandidaten nur dann kennt, wenn man von morgens bis abends RTL guckt und deswegen genau weiß, wer alles in der Vorrunde von Reality Soap X rausgeflogen ist oder beim »Bachelor« genervt hat, gut, daran hat man sich gewöhnt. Und auch daran, dass man irgendeine nervende Pro 7-Topmodel-Kandidatin spätestens zwei Jahre später als Anwärterin auf die Dschungelkrone wiedersehen wird. Aber dass nicht wenigstens ein einziger ehemals bekannter Sportler oder Schlagersänger oder nicht aus Serien bekannter Schauspieler mitmacht, ist schon eine große Enttäuschung. Dass sich in diesem Jahr gleich zwei der Kandidatinnen vor der Show im Playboy präsentierten, ist für alle, die wissen, wie nackte, gephotoshoppte Frauen aussehen, nun auch nicht so der ganz wirklich heiße Scheiß. Dazu kam diesmal ein Mann namens Aurelio, der sich zwar nicht für irgendein Magazin ausgezogen hatte, aber irgendwie der Inbegriff von sexy sein sollte – der aus Gevelsberg Stammende ist berühmt, also nach RTL-Maßstäben berühmt, weil er bei etwas namens »Die Bachelorette« teilgenommen und 2012 in einem Softporno namens »Sexy Pole Girls – Leben an der Stange« den Bordellbesitzer Nico gespielt hat. Dass verschwitzte oder nassgeregnete, sich im australischen Busch vor sich hin langweilende Menschen nur selten erotisch statt verschwitzt, nassgeregnet und gelangweilt wirken, hat man bei »Ich bin ein Star« wohl auch nach neun Jahren nicht gemerkt. Und auch, dass eklige Sachen schlucken oder alternativ nur Reis und Bohnen essen nicht sendezeitfüllend ist, scheint an den Machern vorbeigegangen zu sein. Dazu haben die Möchte­gernpromis mittlerweile gelernt, dass Lästern und egozentrische Wehleidigkeit beim Publikum nicht besonders gut ankommen – also alle bis auf Walter Freiwald, vor vielen Jahren bekannt als Assistent von Harry Wijnvord in »Der Preis ist heiß«, einer nicht wirklich unterhaltsamen Unterhaltungsshow aus den Anfängen von RTL. Dieser Walter Freiwald grantelt und nölt sich durch die Sendung, aber auch das ist eher langweilig – als Bundespräsident habe er sich einmal beworben, weil er praktisch ideal für den Job sei, erzählte er in den ersten Tagen, woraufhin die SPD keine 24 Stunden später dieses Bewerbungsschreiben veröffentlichte. Sozialdemokratischer Humor ist nun aber genau das, was es in diesen Zeiten definitiv nicht braucht.
Und so saßen sie da im Dschungel herum und erzählten so dies und das, und es war eine große Ödnis, denn eigentlich gab es nur drei Lichtblicke, jedenfalls dann, wenn man nie im Leben Caught-in-the Act-Fan war, aber davon scheint es ohnehin nicht mehr viele zu geben, denn Benjamin ­Boyce, Mitglied dieser irgendwann Anfang der Neunziger populären Boyband, wurde ziemlich bald mangels Publikumsinteresses an ihm aus dem Camp verabschiedet. Oder wenn man die anscheinend endlosen Klagen der Roberto-Blanco-Tochter in der Bild nicht mitbekommen hat und deswegen eher irritiert davon ist, dass Tochtersein fürs Dschungelcamp qualifiziert. Immerhin: Maren Gilzer ist ziemlich cool. Und Rolfe, ehemaliger »Germany’s Next Topmodel«-Juror, der seinen in der Klum-Sendung noch so aufdringlich präsentierten französischen Akzent irgendwo unterwegs auf dem Weg in den australischen Dschungel verloren hat und mittlerweile eigentlich ziemlich sympathisch wirkt, jedenfalls solange er nicht gerade neben die Toilette pinkelt, dürfte sich ab nächste Woche im IBES-Afterlife als durchaus angenehm erweisen. Rebecca Simoneit-Barum aka Iffy aus der »Lindenstraße« gehört ebenfalls zu den Pluspunkten der Show. Und das war’s dann aber auch schon.
Wie aber hätte ein gelungenes Unterhaltungsprogramm in finsteren Zeiten denn nun ausgesehen? Neben einem Dschungelcamp mit lustigen, selbstironischen Kandidaten, die witzige Anekdoten aus ihrem Leben erzählen und dazu nicht singen – noch ein Pluspunkt, fast vergessen: Diesmal hat niemand eine Gitarre dabei und dazu den offenkundigen Plan, im Dschungel den ganz großen Hit zu schreiben –, kann es darauf eigentlich nur eine Antwort geben, eine Show, die man »Wir geben Euch, was Ihr verdient« nennen könnte. In den zehn Tagen, die jetzt mit »Ich bin ein Star« verplempert wurden, hätte man nämlich eine Menge Sinnvolles schaffen können, wenn man nur gewollt hätte. Dresden ausräumen und zu einer Art Auslaufgebiet für Fähnchenschwenker machen zum Beispiel, wo jeder, der dies gern möchte, nach Herzenslust von morgens bis abends schwarz-rot-goldene Flaggen spazierentragen und »Wir sind das Volk« brüllen kann, natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die in der Zeit schöne Sendungen im Fernsehen gucken oder sich anderweitig vergnügen könnte. Wobei, vielleicht könnte man dem russischen Sender RT die Exklusivrechte an den Übertragungen der abendländischen Schlandparade verkaufen, so dass man alle paar Tage mal nachgucken könnte, was bei den Volk-Seiern gerade so passiert. Vielleicht hätte man jede Woche einen herauswählen können, den man dann direkt in den australischen Busch fliegt, wo er ein bisschen possierliche Kunststückchen zu machen hat, aber das ist nur eine Kann-Option, so ganz ausgereift ist das Konzept leider noch nicht. Und natürlich hätte man auch die Dresdner, die keine Lust auf Fahnengewedel und »Lügen­presse«-Schreien haben, woanders unterbringen müssen, aber wie gesagt, dieser Unterhaltungsplan hat Lücken. Vielleicht gehen ja aber auch die Horden der Finsternis von ganz allein wieder weg. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht.