Die umstrittene Museumspolitik in Wien

Heldengeschichten

In Wien soll nach Jahren das umstrittene Haus der Geschichte gebaut werden, das Weltmuseum wird verkleinert. Die österreichische Museumspolitik steht in der Kritik.

»Baustopp« hieß es vor zwei Monaten für das Weltmuseum Wien, »Vorhang auf« nun für das seit langem geplante, umstrittene österreichische »Haus der Geschichte«. Nach einer 20jährigen Vorlaufzeit soll das Museum, das ursprünglich als Ort der jüdisch-österreichischen Beziehungen konzipiert war, dann aber eher zum Projekt der Geschichtsharmonisierung der Großen Koalition wurde, 2018 am Wiener Heldenplatz eröffnen. Die Entscheidung für den Corps de Logis in der Hofburg ist nicht nur in die Kritik geraten, weil die Hofburg am Wiener Heldenplatz, einem eng mit Kaisertum und österreichischem Nationalismus verbundenen Ort, schwerlich ein neutrales Ambiente bietet. Kritisiert wurde vor allem, dass das Projekt nun die Pläne für das Weltmuseum kreuzt. Seit knapp zwei Jahren wird das vormalige Völkerkundemuseum, bereits in der Hofburg angesiedelt, rundum erneuert. Zuerst durch eine veränderte Corporate Identity, seit vergangenem Herbst durch einen Umbau. Der wurde nun abrupt beendet, die Räumlichkeiten verknappt und das Budget deutlich gekürzt.

Dieser Vorgehensweise des österreichischen Kulturministers haftet ein Hang zum Provinzialismus an, der nun wohl mit einem Hauch von kritischem Geist ausgeglichen werden soll. Für diesen steht der prominente österreichische Historiker Oliver Rathkolb, der vorvergangene Woche mit der wissenschaftlichen Leitung des Hauses der Geschichte betraut wurde. Er plane »kein braves Nationalmuseum« und versicherte, dass es »keine politische Farbenlehre« geben werde, wie von einigen befürchtet. Die österreichische Migrationsgeschichte, die Geschichte des Habsburger Vielvölkerstaats und die Österreichs in der EU sollen also Platz finden. Bei all dem ist klar, dass hier ein Haus geplant wird, in dem die Geschichte Österreichs ausgestellt werden soll. Noch gäbe es die Möglichkeit, Widersprüche und Kontroversen innerhalb der Geschichtserzählung zuzulassen, etwa die Debatte um die unterschiedliche Auslegung des Austrofaschismus durch Sozialdemokratie und Volkspartei.

Wahrscheinlicher ist aber, dass ein »chronologischer Bandwurm« – wie einst Jürgen Kocka zur Dauerausstellung des Deutschen Historischen Museums titelte – zu sehen sein wird, der zur positiven Sinnstiftung der Nation beitragen soll. Die Historikerin Heidemarie Uhl meinte über die in Deutschland diskutierten Pläne 2007, damit werde einem »Anachronismus« Raum gegeben, der sich der Reflexion über Geschichte und ihre Darstellung nicht öffnen will, sondern an die instrumentelle Deutungstradition der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts anschließt. Das ist nun auch in Österreich zu erwarten. Es stellt sich auch ein weiteres Problem: Das Haus verfügt über keine Bestände, keine vorhergehende Sammlung an Objekten und visuellen Zeugnissen. Es soll auf das Staatsarchiv zugegriffen werden, aber mit den dort primär lagernden Schriftstücken kann noch kein Museum gefüllt werden.
Über eine wirklich beeindruckende Sammlung verfügt hingegen das Weltmuseum. Lange vernachlässigt und kaum besucht, sollte es mit der Umgestaltung wieder stärker in die Öffentlichkeit gerückt werden. Prominente Fürsprecher beklagen nun die Kürzung des Budgets als verpasste Chance. Das Weltmuseum ist, trotz seiner Modifikation, ebenfalls kaum als Hoffnungsträger progressiver Museumsgestaltung zu werten. Zwar waren seit der Neukonzeption ein neuer Partizipationsanspruch sowie die Öffnung für zeitgenössische Kunst zu erkennen, von einem kritischen Umgang mit der eigenen Sammlungsgeschichte ist allerdings wenig zu bemerken, sie wird bestenfalls verschämt angedeutet.
Aus den beiden Häusern ein gemeinsames Kulturenmuseum zu machen, war einer der Vorschläge der vergangenen Wochen: keine Trennung zwischen »Anderem«/»Exotischem« und »Eigen-em«/»Normalem«, keine Geschichte heldenhafter Staatsmänner, sondern eine gemeinsame und zusammengedachte Beschäftigung mit Kulturpraktiken. In Anbetracht vollendeter Tatsachen ist seine Umsetzung aber unrealistisch.