Pragmatischer Reintreter

Udo Lattek. Acht deutsche Meistertitel mit dem FC Bayern München und Borussia Mönchengladbach, alle drei europäischen Vereinspokale, nicht zuletzt auch als Trainer des FC Barcelona, und am Abend seiner Karriere noch eine spektakuläre Rettungsmission bei der Dortmunder Borussia (2000) – diese Bilanz macht Udo Lattek, der vorige Woche im Alter von 80 Jahren starb, zum erfolgreichsten Fußballlehrer der Bundesliga. Dabei war Lattek weniger Visionär der Spielsysteme als pragma­tischer Tüftler. Was er aber wie kein zweiter revolutionierte, war die mediale Funktion des Trainers. Der sichtlich trinkfreudige Ex-Mathematiklehrer hatte das Talent, der Presse Einsichten zu gewähren, die Empathie, Spielern die richtigen Worte mitzugeben, und den Mut, dem einst allmächtigen Bayern-Boss Uli Hoeneß öffentlich vor den Bug zu schießen. Ob einer von Latteks einprägsamen Sätzen auf seinem Grabstein stehen wird, ist ungewiss, deshalb sei einer hier zitiert: »Die Jungs brauchen Eier. Und einen, der ihnen da mal kräftig reintritt.«   uk
Der allwissende Erzähler
Mansplaining. Allen Männern, die Frauen Vorträge halten über Themen, in denen sich die Zugetextete selbst bestens auskennt, wurde in Australien ein Denkmal gesetzt: Zum Wort des Jahres wurde hier die Kreation »Mansplaining« gewählt. Geprägt hat den Begriff Rebecca Solnit, eine vom Redefluss des Ehemanns geplagte Autorin. Als sie vom Gatten den Tip bekam, ein Buch über einen interessanten Fotokünstler zu lesen und sie den Tipgeber darüber aufklären musste, dass sie selbst das Buch geschrieben hat, entschloss sie sich, über den Typus des allwissenden Erzählers, kurz AE, zu schreiben. Mittlerweile ist ihr Buch über Mansplaining ein Bestseller. Dass die Weltenerklärer ein verbreitetes Phänomen sind, lässt sich auch dem Blog »Academic men explain things to me« entnehmen, auf dem Frauen ihre Erfahrungen mit ungebetenen Referenten schildern. Türkinnen werden von Australiern über korrektes Türkisch und weibliche Handarbeitsfans von Besitzern zweier linker Hände über effizientes Stricken belehrt.   her
Am Stück
Victoria. Wird elf Jahre nach »Gegen die Wand« von Fatih Akin eine deutsche Produktion mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet? Unerheblich, ob der Film irgendwelche Preise gewinnt und wie viele es sein werden – Sebastian Schippers »Victoria« geht dank einer Besonderheit in die Kinogeschichte ein. Der 140minütige Thriller verzichtet auf jeden Schnitt, gedreht wurde der Film in einer einzigen Kameraeinstellung. Das Drehbuch umfasste nur zwölf Seiten, sämtliche Dialoge wurden während des Drehs improvisiert. »Wir hatten eine hirnrissige Ladung von übersteigertem Selbstbewusstsein«, sagt der Regisseur, der unter anderem »Absolute Giganten« (1999) geschrieben und gedreht hat. Drei Monate lang wurde geprobt, drei Durchläufe brauchte das Team, bis die Erzählung um ein paar junge Erwachsene, die sich aus dem Nachtleben in einen Bankraub stürzen, im Kasten war. Selbst schlimmste Sauertöpfe werden sich zu der Bemerkung hinreißen lassen müssen: »Für einen deutschen Film nicht schlecht.«   oko
Grün und gut
Guacamole. Vor dem Finale der American-Football-Saison gestand Barack Obama, er werde zum Spiel Chips verspeisen, dazu einen besondern Dip: »Ich bin verrückt nach Guacamole«. Eine Topnachricht, die Guacamole-Fans auf der ganzen Welt bewegt hat. Auch Jack White sicherlich, dessen Catering-Rider frecherweise von der Oklahoma Daily veröffentlicht wurde, was den Künstler selbstverständlich erzürnte. Das pikante Detail: White verlangt unter anderem nach einer selbstgemachten Guacamole. Damit sie ihm auch ja bekomme, liefert er auch gleich das Rezept mit. Extrem klug! Schließlich wissen wir alle, dass kaum etwas ärgerlicher ist als eine misslungene Guacamole.   oko