Voll aggro, der Babo

Als »kleinen Hurensohn« soll Tuğçe Albayrak Medienberichten zufolge Sanel M. bezeichnet haben. Sanel schlug zu, Tuğçe Albayrak starb knapp zwei Wochen später. Vor Gericht könnte der Täter sich nun darauf berufen, dass er nur getan hat, was der Papst auch getan hätte. »Wenn Dr. Gasbarri, mein lieber Freund, meine Mutter beleidigt, erwartet ihn ein Faustschlag«, sagte Fanziskus. Das sei »normal«. Es gab Kritik, aber wenn ein Imam in Neukölln dergleichen gepredigt hätte, wäre die Reaktion wohl schärfer ausgefallen. Doch im Windschatten des Jihadismus kann man sich als nichtmuslimischer religiöser Eiferer derzeit so ziemlich alles erlauben. Anders als die Konkurrenz lässt der Papst schließlich niemanden mehr verbrennen.
Die meisten Katholikinnen und Katholiken betrachten Franziskus’ Aussagen zwar eher als Mahnung denn als unbedingt zu befolgendes Gebot, dennoch sind die päpstlichen Aussagen nicht nur eine Skurrilität. Zunächst mahnte Franziskus, Katholiken sollten sich nicht »wie Karnickel« vermehren. Fortpflanzen sollen sich die Gläubigen aber schon, sagte er dann in der vergangenen Woche, denn der bewusste Verzicht auf Kinder sei eine »egoistische Wahl« – katholische Geistliche sind von diesem Urteil wohl ausgenommen. Zwischendurch rechtfertigte er noch das Schlagen von Kindern, aber nur ein bisschen und nicht ins Gesicht. Man muss dem Papst zugute halten, dass er in theologischer Hinsicht vor einem schwierigen Problem steht. Jesus war kein Familienmensch und konnte von Glück reden, dass er für die an seine Mutter gerichtete Bemerkung »Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?« von ihr keine Watschn kassierte. Die Frühchristen lehnten Sex und Fortpflanzung ab, da sie den baldigen Weltuntergang erwarteten. Aus diesem religiösen Erbe musste die Kirche dann ein Familienbild entwickeln, das Ideal der sexuellen Abstinenz also mit den Erfordernissen der gesellschaftlichen Reproduktion in Einklang bringen. Den Mittelweg wies bereits Paulus, der predigte, dass der Mensch am besten gar keinen Sex haben sollte, weil er das aber nicht hinkriegt, die unschöne Angelegenheit wenigstens in streng geordneten Bahnen lenken muss. An den auf dieser Grundlage entwickelten Dogmen kommt der Papst nicht vorbei, doch auch im engen Rahmen der katholischen Sexual- und Familienlehre hat er einigen Spielraum. Im Geiste der Friedfertigkeit könnte er etwa für eine gewaltfreie Erziehung eintreten. Ob im Bemühen, Volksnähe zu beweisen oder gezielt an archaische Instinkte appellierend, hat er jedoch bei zwei Gelegenheiten Gewalt gerechtfertigt. Das macht ihn noch nicht zu einem Hassprediger, und Sanel M., der als Muslim gilt, wird sich wohl nicht auf ihn berufen. Gemäßigte Prügel für Kinder zu befürworten und den Faustschlag als normale Reaktion auf verletzte Gefühle darzustellen, legitimiert jedoch häusliche Gewalt.